Rotel Tours Reiseblog

In die Hochanden mit Rotel Tours

Zu dieser Reise (Nr. 95b): www.rotel.de/expeditionsreise-andenueberquerungen.html

Markus Folz, Reisetagebuch  und Bilder
Tag 1 (Freitag), 29.03.2019

S. begleitete mich wie bereits zur Patagonienreise vor 2 Jahren auch diesmal wieder zum Frankfurter Flughafen.

Von der Rotel Tours – Mitarbeiterin, die beim Check-In half, übernahm ich ein paar Unterlagen für dieselbe Reiseleiterin wie in 2017, die auch diesmal die Reise leitete und in ein paar Stunden in Santiago de Chile auf uns warten würde.

Freudiges Wiedersehen mit L. und J. In Charles de Gaulle nutzten wir die 4-stündige Umstiegszeit, um Patagonienerinnerungen aufzufrischen und später bei Rouge ausgiebig die aktuelle Weltlage zu würdigen.

In einer Boeing „sieben-sieben-sieben-irgendwas“ über 12000 Kilometer in 14,5 Stunden von Paris nach Santiago de Chile. Die Zeitverschiebung betrug 4 Stunden. (Am Ende der Reise waren es 7 Stunden.) Der Copilot vermeldete über dem Atlantik mehrfach „turbolencias“. Das südamerikanische Festland erreichten wir südlich der Amazonasmündung. Mein verlängerter Rücken war frühzeitig gehörig durchgesessen; ein paar Lieder von Compay Segundo aus dem Kopfhörer brachten ein wenig Entspannung.

 

Tag 2 (Samstag), 30.03.2019

Kaum gelandet begrüßte die Reiseleiterin uns im Flughafengewühl, brachte uns zum Bus für die Stadtbesichtigung und übergab an Veronica, der nur 4 Stunden zur Verfügung standen, uns ihr Santiago de Chile zu zeigen.

Erst mal Geld wechseln und dann zum Präsidentenpalast, der wegen irgendwelcher Demos weiträumig abgeschirmt war. Unwillkürlich dachte ich – gerade hier – an Passagen aus Isabel Allendes Buch „Das Geisterhaus“, wo Präsident Salvatore Allende 1973 in den Freitod getrieben worden war.

Gesellschaftliche Brisanz auch auf der Plaza de Armas: vor der Kathedrale boten zahlreiche Frauen Rosenkränze zum Kauf an, im Inneren – mit herrlichen Kirchenbögen – lief ein Protestgottesdienst gegen pädophile Klerusvergehen und gegen Kirchenabgaben. Veronica hob außerdem hervor, dass das Denkmal auf der Plaza de Armas den nachfolgenden Generationen der Mapuche ein Dorn im Auge wäre.

Beim Durchwandern der Innenstadt stellte ich fest, dass Schuheinlegesohlen zur Zeit offenbar Verkaufsschlager Nr. 1 waren, so groß war das Angebot, und dass die Polizei ein Büro betreibt, das sehr stark an eine deutsche Frittenbude erinnerte.

Auf einstimmigen Wunsch verbrachten wir die Mittagspause auf Santiagos Mercado Central, ein Jugendstilkomplex mit zahlreichen gastronomischen Möglichkeiten und einer enormen Auswahl an Fisch aus dem Humboldtstrom „quasi vor der Haustür“.

Ich selbst aß in Elisabeths Empanadaschmiede „Pino“ und kam ein wenig mit Felippe ins Gespräch, um mich jedoch bald aufzumachen, denn ich hatte an einem Marktstand Postkarten gesichtet, die sicher darauf warteten, von mir beschriftet zu werden.

Die Zeit auf dem Markt war knapp, denn Veronica hatte sich fest vorgenommen, uns die wichtigsten weiteren Stadtviertel wenigstens vom Bus aus näher zu bringen (Neustadt, Bellavistaviertel).

Straßenkünstler unterhielten an nahezu jeder Kreuzung die im Stau Wartenden mit allerlei Kunststückchen und erbaten einen kleinen Obolus dafür.

An einem Parkplatz stiegen wir in unseren Rotelbus (Mercedes, 24 to, 480 PS) um. P., den ich auch aus Patagonien kannte, war wieder unser Fahrer. Er fuhr etwa 2 Stunden durchs Casablancatal, das für seinen Weißwein bekannt ist,  nach Cocon, wo unser erster Übernachtungsplatz war.

Beim Abendessen hatten wir leider Nieselregen. Die Reiseleiterin sagte, dass das Wetter bei dieser Reise eher kühl werden würde.

Die restliche Brokkolicremesuppe und die Wiener Würstchen fanden bei ein paar Campern dankbare Abnehmer.

Hier gab es kein Nachtleben. Die Mannschaft ging vergleichsweise früh schlafen.

 

Tag 3 (Sonntag), 31.03.2019

Liebgewonnene Rotelroutinen erwachten gleich wieder. Beim Ausschütteln der Bettwäsche (wieder von ganz oben, Nr. 5 diesmal) erinnerte ich mich wieder an ein erträumtes Volontariat bei Frau Holle.

Erst um 7:45 ging die Sonne auf, dafür brechend schnell.

Am Morgen fuhren wir unmittelbar an der malerischen Küste entlang. Der Frühnebel hatte sich gelichtet und man hatte einen direkten Ausblick auf die See. Das Wasser soll mit 18 Grad ziemlich kühl sein. Ich versuchte bei der nächstbesten Gelegenheit, im Pazifik zu schwimmen.

Valparaiso:

Mit dem Peral zu fahren – das war ein lang ersehnter Traum, den ich mir nun endlich erfüllen konnte. Peral – so nennt man in Valparaiso die Personenaufzüge, von denen noch etwa 18 Stück in Betrieb sind, und die die Oberstadt mit der Unterstadt verbinden. Sie stammen aus einer Zeit – ca. von 1902 – , als Krischan Buddenbrook dem Romane nach hier sein Unwesen getrieben haben könnte.

Die Kabinen fassten bis zu 10 Personen. Schmierölduft lag in der Luft. Altes Eichenholzgebälk, blitzblanke Hebemaschinen, Mahlgeräusche, große Zahnräder, Jugendstilornamente, viel Eisen und gläserne Kabinen schafften eine urromantische Atmosphäre. Die Anlagen verbanden Höhenunterschiede von etwa 50 Metern.

Die Anlage, mit der wir fuhren, war seit Generationen in Familienbesitz. Der Sohn arbeitete in der Bergstation, der Vater in der Talstation, wo auch die Kasse war. Eine Fahrt (abwärts) kostete 100 Pesos.

Bereits im Vorgriff auf die Stadt Antofagasta sprach die Reiseleiterin heute bereits vom Helden des Salpeterkrieges (1879-1884) Arturo Prat, dessen Denkmal in Valparaiso steht und dessen Konterfei heute den 10.000-Peso-Schein ziert.

Mittagspause in Cocon. Aus einem reichen Angebot typisch chilenischer Speisen wählte ich, ähnlich wie auch L., V., A. und D., das berühmte Cevice (Fischsalat mit Zwiebeln und viel Koriander) und ein „empanada mariscos“.

In den Küstenstädten Reñaca, Viña del Mar, Valparaiso und Cocon bevölkerten Möwen und auch Pinguine die Peripherie. Dennoch könnten diese 4 Städte unterschiedlicher kaum sein: Valparaiso, die berühmte Hafenstadt aus der frühen Neuzeit haben die Chilenen durch die eleganten Wohnstädte Reñaca, Viña del Mar, und Cocon ergänzt. Cocon, gerade eine Großbaustelle, verfügte ebenfalls über einen besonders schönen Strand.

Nach der Mittagspause fuhren wir auf der Routa 5, also auf dem panamerikanischen Abschnitt durch die mittelchilenische Längstalsenke, an Obstanbaugebieten entlang.

Im „kleinen Norden Chiles“ wies die Reiseleiterin auf PUYAS hin (algarvenähnliche Sträucher mit auffälligem säulenartigen Fruchtstand), dazwischen kleine Säulenkakteen und „falsche Pfefferbäume“. Wir hatten also bereits aride Gebiete erreicht. Die lebensnotwendige Feuchtigkeit holen sich diese Pflanzen vom CAMANCHACA-Nebel.

Über längere Strecken sahen wir in Fahrtrichtung links den Pazifik im Wechsel mit hügeligen Landschaften, die ausnahmslos eingezäunt waren. Ab und zu eine Bretterbudensiedlung. Weit abseits der Panamericana waren Hochspannungstrassen angelegt.

Wir übernachteten auf einem menschenleeren Campingplatz, denn die Saison war zu Ende. Dieser Platz war herrlich gelegen, hatte einen weißen Sandstrand, aber das Wasser war arschkalt. Dreimal konnte ich in die Fluten eintauchen, leider nicht länger und nicht häufiger, denn … ich hatte keine Bademütze dabei.

Gruppenspaziergang durch den Ort.

Am späteren Abend gab es schallendes Gelächter, als P. herrliche Ideen zu „Captain APRIL“ zum Besten gab: Danach hatten wir Besuch von der Polizei. Sie verhafteten P., unseren Fahrer und Koch, da er sich kürzlich den Schnauzbart abrasiert hatte, obwohl er auf dem Foto im Reisepass einen solchen Bart trägt. Das war wider die chilenischen Vorschriften. Zunächst befürchteten wir, es müsste so lange hinter Gittern bleiben, bis der Schnauzbart nachgewachsen wäre. Die Reiseleiterin warf ihr gesamtes diplomatisches Geschick in die Waagschale und bekam ihn für ein paar Paletten Bier frühzeitig wieder frei, notwendiges Haftentlassungsdokument mit der Unterschrift eines gewissen „Commandante April Corrupto el Primero“ inclusive, den wir dann am folgenden Morgen, dem 1. April trafen. So jedenfalls wollte es P. seinem Chef telefonisch rübergeben.

Dann outete sich P. als Sternenkundler und wies darauf hin, dass derzeit eine seltene Situation zu beobachten wäre. Den „Großen Wagen“, der gemeinhin nur in der nördlichen Hemisphäre zu beobachten wär, würde man heute auch hier in Cocon sehen. Er zeigte auf den Horizont, wo hinter ein paar Büschen unser „Großer Wagen“ mit dem amtlichen deutschen Kennzeichen PA PA-979 stand.

 

Tag 4 (Montag), 01.04.2019

Bereits nach Sonnenaufgang, die die liegende Mondsichel wieder erst spät ablöste, war das Wetter herrlich. Der CAMANCHACA-Nebel, der in der Wüste der einzige natürliche Wasserlieferant ist, hing in satten Schwaden punktuell über der See.

Die Fahrt ging durch den nördlichen Schluss der mittelchilenischen Längstalsenke weiter nach Norden in Richtung des RIO COPIAPO, des letzten Flusses vor der Wüste.

Verproviantisierung und anschließend Stadtrundgang in La Serena, eine Boomtown mit rd. 160.000 Einwohnern.

Zu Mittag nahmen L., S. und ich jeweils CURRASCO, einen Burger mit Rindfleisch. In La Serena kaufte ich wieder eine Emailletasse, nachdem wir die wunderbar begrünte Plaza de Armas, die Kathedrale, die Jesuitenkirche und einen ersten zaghaften Markt für indigene Waren besucht hatten. Das Theaterhaus im Neokolonialstil war offenbar endgültig pleite.

Fakt ist: Pisco Sour darf sich nur nennen, was aus Pisco kommt. Soweit die Fiktion. Hinweis: man kann Orte auch umbenennen. Möglicherweise werden sich Chile und Peru bzgl. des Pisco Sour niemals einigen.

Rezept für ein Glas: 6 cl Pisco, 4 cl frischer Limettensaft,. 2 cl Zuckersirup 1 sehr frisches Eiweiß, 1 Prise Zimt, Eiswürfel.

Die Reiseleiterin stellte die Vita der chilenischen Literaturnobelpreisträgerin Gabriela Mistral vor, während wir unmittelbar an der pazifischen Küste entlangfuhren. Gabriela Mistral ist auf dem 5.000-Peso-Schein abgebildet.

Baumlose Gebirgsformationen bis rd. 2500 Meter. Die Farben rot wegen des Eisengehalts, grün wegen des Kupfers, weiß aufgrund von Kalk und gelb vom Schwefel. Die blinkenden Gebäude auf den Höhen waren Sternwarten. Außerdem bemerkten wir vereinzelt Zufahrten zu Minen. Im Gelände standen hüfthohe Büsche, die die Erde aber nicht bedeckten.

Chile hat den höchsten Vulkan der Erde: misst man die Höhe über dem Meeresspiegel so ist der OJOS DE SALADO an der Grenze von Chile nach Argentinien der höchste aktive Vulkan. Er kommt auf 6.893 Meter.

In der Atakamawüste ist Regen die absolute Ausnahme. In 2015 kam es in der 3. Region Chiles zu großflächigen starken Regenfällen. Innerhalb kürzester Zeit waren Kiesbetten reißende Flüsse. Die Infrastrukturschäden waren bedeutend. Der Ausnahmezustand musste ausgerufen werden. Die Routa 5 war nicht mehr passierbar. Andere Straßen gab es nicht.

Dann berichtete die Reiseleiterin über das Esperanzacamp wegen des Minenunglücks in San Jose im Jahr 2010. Es handelte sich um eine Privatmine für Gold, in der die Marodität der Anlagen offensichtlich war. Politischer Druck wurde aufgebaut, auch international. Die 33 verschütteten Bergleute konnten nach 2 Monaten aus 700 Metern schließlich gerettet werden.

COPIAPOTAL. Nach mehrstündiger Fahrt durch die Wüste war dieses Tal wieder grün. Hier gab es Oliven- und Weinanbau. Ich schätzte die Talbreite auf etwa 8 Kilometer.

Ich frankierte die Postkarten, S. assistierte dabei. Dann badete ich im Pool, der Pazifik war mir zu frisch.

Am Abend war es kalt. Alle krochen frühzeitig in ihre Kabinen.

 

Tag 5 (Dienstag), 02.04.2019

Das Aufstehen war bisher immer relativ spät, da wir jeweils erst um 8:30 Uhr aufzubrechen pflegten.

Habe die allgemeine Morgengymnastik eingeführt.

Sprachtheoretischer nicht ernst zu nehmender Versuch:

„Varones“ (Männer-Toilette) könnte von „Barones“ (Adelige) kommen, da das „V“ im Spanischen als „B“ ausgesprochen wird. Also „… dort, wo sogar der Baron oder gar der Kaiser zu Fuß hingeht …“

Wir waren im Gebiet des Chilenischen Kupferabbaus angekommen. In Caldera befindet sich der erste Bahnhof Chiles überhaupt (aus dem Jahr 1850), um den Kupferhafen mit den Minen zu verbinden.

Über weite Strecken war die Wüste hier von hellbeigem bis kakifarbenem Sand dominiert, das Meer war steingrau ob des grauen Himmels. Ab und zu ein paar Granitfelsen und Büsche. Das Meer trug keine Schaumkronen. Wir hielten an einer Stelle an der Piste, wo in ausgewaschenen Felsengrotten Volksaltäre aufgebaut waren. Die Küstenkordillere erreicht hier Höhen bis 900 Meter; der Küstennebel ist relativ stabil. Die eigentliche Wüste, wo es überhaupt kein Wasser mehr gibt, sollte aber noch kommen.

Alexander von Humboldt, einer der wenigen und ersten, die zu wissenschaftlichen Forschungen kamen, und nicht, um sich nach Herrenmenschenart zu bereichern, gilt hier größtes Ansehen. Die Reiseleiterin ging auf das Lebenswerk von Humboldts ein, insbesondere auf seine große Forschungsreise von 1799 – 1804 in die tropischen Gebiete Südamerikas. Nach ihm sind aufgrund seiner glänzenden Studien der Humboldtstrom und die Humboldtpinguine benannt, auch wenn er die Gegend hier im Speziellen nie bereist hat. Eines seiner berühmtesten Zitate lautet: „Die gefährlichste Weltanschauung ist die derjenigen, welche die Welt nie angeschaut haben.“

An steinernen Stränden sahen wir die einfachen Ferienhaussiedlungen derjenigen, die sich keinen Luxus leisten können. Die Bauweise erinnerte an Schrebergartenhütten in Deutschland. Auch erblickten wir den ersten Supermuldenkipper wahrscheinlich überhaupt.

Wir machten einen Fotostopp in beeindruckender Felsformation, die ins Meer zu fließen schien, teilweise begipfelt mit schneeweißer Vogelscheiße, darüber tiefblauer Himmel. Die Sonne brannte. Teilweise stammen die bizarren Gesteinsformationen aus einer erdgeschichtlichen Epoche, bevor die Anden sich gebildet hatten. Szenerien mit dem Meer im unmittelbaren Hintergrund.

Um die Mittagszeit erreichten wir den Nationalpark PAN DE ASUCAR. Die Reiseleiterin wies auf verschiedene Kaktusarten hin. Die COPIAPO ERISO (Kugelkakteen) erinnerten an Kamelhaufen bzw. Pferdeäpfel. Es war Herbst in Nordchile. Dennoch trugen einige Kakteen noch kleine gelbe Blüten.

Wir erreichten den kleinen malerischen Fischerort LOS PIQUEROS mit einem wunderbaren Strand, der nach den hier lebenden Tölpeln benannt ist. Gegenüber lag eine von Menschen unbewohnte Insel, auf der sich aber Humboldtpinguine und Pelikane tummelten. Tsunamiwarnhinweise waren bisher auf dieser Reise überall präsent, in allen Konjugations- und Deklinationsarten.

Ein paar Männer luden aus ihren kleinen Fischerboten TIBURON (Hai) und CONGRIO (vermutlich CONGER) aus, den sie gerade frisch gefangen hatten und nun ausnahmen.

Pelikane verschlangen die glitschigen Innereien in großen Happen. Truthahngeier und Möwen saßen auf den Klippen und hofften auf mehr, ebenso ein Otter, der sich verspielt Rücken schwimmend die Sonne auf den Bauch scheinen ließ. Myriaden von Sonnenspiegelungen in der Bucht. Die See dröhnte. Fischgeruch und Seevögelgeschrei in Wellen.

Um 13 Uhr gabs Fisch im einzig geöffneten Restaurant. Die Wirtin bot außerdem auch Bastelarbeiten aus Fischhaut an.

Zubrot für die Fischer: Nach dem Mittagessen machten wir eine Bootstour in einem großen Außenborder, und zwar bis zur unbewohnten Insel. Herrliche Gesteinsformationen in den Brandungsbereichen, wunderbare Farben. Wir sahen ein paar Humboldtpinguine und ein halbes Dutzend junge Seelöwen. Bis ins offene Meer durften wir uns in diesem Boot nicht wagen.

Baden im Pazifik: Es war einfach herrlich – und übrigens auch das letzte Vollbad im Meer, was ich damals noch nicht wusste. Das Wasser war nicht so kalt wie vorgestern. Aus Furcht vor gefährlicher Strömung traute ich mich nicht, raus zu schwimmen. Ich zog es vor, „Wellenbrecher zu spielen“; J. und B. taten Gleiches.

Ein Wüstenfuchs trieb sich am Nachmittag auf dem Campingplatz um und war ziemlich leutselig.

Literaturpavillon: Am späten Nachmittag bot die Reiseleiterin  eine Literaturlesung an, und zwar über Pablo Neruda inclusive über Stationen seines Lebens (1904-1973). Sie las aus seinen Zyklen „20 Liebesgedichte und Gedicht der Verzweiflung“, aus „Aufenthalt auf Erden“ und aus „Gedichte für Matilde“. Die Kulisse war ebenfalls perfekt: kahle Felsen, der Abend kam auf. Blutrot verschlang der Horizont die Sonne heute über dem Meer.

Die Milchstraße und das Kreuz des Südens waren hier in der Wüste besonders gut zu sehen. Es war etwa 23 Uhr, als ich in meine Koje kroch.

 

Tag 6 (Mittwoch), 03.04.2019

Kurz nach Fahrtbeginn erreichten wir heute die 2. Region Chiles und drangen in das Innere der Atakamawüste vor, ein Raum, der lange TERRA INCOGNITA genannt wurde, lebensfeindlich und höchstens dünn besiedelt. Ortschaften gab es keine, kein Wasser, keine Vegetation. Die Atakama ist eine Küstenwüste. Gold, Silber, Kupfer und vor Allem Salpeter (notwendig zur Herstellung von Dünger und Schießpulver) sind aber reichlich im Boden, den Konquistadoren damals noch verborgen. Heute aber ist Silicium, das es hier auch gibt, noch wesentlich wichtiger.

Die Reiseleiterin berichtete über Einzelheiten zum Salpeterkrieg (1879-1884). Auch ging sie auf die schwierigen Lebens- und Arbeitsbedingungen in der Geschichte der Minenarbeiter ein. Entlang der Strecke sahen wir einige kleine Kapellen und Friedhöfe für die Opfer der Minenarbeit.

Wir durchquerten Mondlandschaften. Sande in grau-beige dominierten die Szenerie, kleinere Felsen aus Abschieferungen waren weit verstreut. Es gab Dünen, teilweise mit tiefen Rinnen von seltenen aber extrem starken Regefällen. Schmale steile Schluchten, flache Senken, bizarre aber abgeschliffene Erhebungen. Harte Schlagschatten in den abgerundeten Hügelwulsten. Die Hügelketten erinnerten an bauschige zerknüllte Federbetten.

Bedingt durch die Hügelketten war die Aussicht zur Linken und zur Rechten der Straße auf ein paar Kilometer begrenz. Manchmal jedoch hatten wir Ausblicke in die Öde, soweit das Auge reicht.

Am Morgen war der Himmel ab 9 Uhr bereits bewölkt. Um die Mittagszeit gabs ungewöhnlicherweise sogar ein paar Regentropfen. Regenfälle wären hier ein Katastrophenfall gewesen.

Kleine weiße Stelen entlang der Strecke verwiesen auf Trassen-, Straßen- und Erdbauarbeiten. Die Böden abseits der geteerten Piste wirkten unberührt bis in die Dünen. Die Flächen in Fahrbahnnähe waren mit allem Möglichen vermüllt.

Die Straße war ziemlich schmal. Es gab donnernde Überholvorgänge und tosendes Aneinandervorbeifahren superschwerer Fahrzeuge. Ein paar Motorräder und PKWs dazwischen. Das Passieren der Fahrzeuge geschah mit magischem Luftsog. Der Aufenthalt in Straßennähe war extrem gefährlich. Hochspannungsmasten standen entlang der Straße.

Wir sahen einen funkelnagelneuen Windpark und künstliche Abraumhalden aus den Salpetergruben und besuchten die im Jahr 1992 von Mario IRARRÁZABAL geschaffene Skulptur MANO DEL DESIERTO (-> „5 Finger“, 11 Meter hoch).

Heute fuhren wir noch südlich des Sternbildes des Steinbocks und somit noch in den Subtropen, ab morgen sollten die Tropen auf uns warten. Wir waren also um 23 Grad südliche Breite.

Heute auch vorerst die letzte Nacht am Meer und vorerst der letzte Tag im Flachland. Ab morgen reisten wir in den Hochanden. Die Reiseleiterin gab folgende Empfehlungen im Hinblick auf die drohende Höhenkrankheit:

– Haut eincremen

– viel stilles Wasser trinken (mindestens 2,5 Liter täglich)

– Alkohol möglichst meiden

– Mate de Coca Tee trinken (macht nicht abhängig)

– bewusst atmen

– Anstrengungen nach Möglichkeit vermeiden

– Sonnenschutz (Kopfbedeckung, eincremen)

– warm kleiden

– leicht essen

Die Höhenkrankheit kann jeden treffen. Besondere Risiken wären aber lt. Rotel-Reisestatistik nicht zu befürchten.

14 Tage Urlaub in Antofagasta – das wärs. Außer uns gab es hier garantiert keine Touristen. Wir aßen Cevice auf dem Fischmarkt, das beste Cevice, das ich je gekostet habe, und kauften dann im Supermarkt unser Trinkwasser für die nächsten Tage ein.

Antofagasta, mit den Kordilleren im Osten, ist potthäßlich aber berühmt wegen seines Erzhafens. Außerdem war Che Guevara auf seiner 2. Großen Reise hier.

Die Stadt hat 350.000 Einwohner und erstreckt sich flächenmäßig auch auf Bereiche jenseits der Kordillere. Dort liegt das Industriegebiet mit Zementwerk und Raffinerie.

Die Reiseleiterin führte durch Antofagasta. Man war hier gewillt, das kulturelle Erbe aufzugreifen und zu erhalten. So war der alte Salpetersteg frisch restauriert; auf den massiven Holzplanken sah man die historische Schienenführung für die Erzzüge.

Wir schlenderten durch die Stadt, ein Güterzug kreuzte unseren Weg, Wir kamen bis zur Plaza de Armas, die als hübscher Park angelegt war. Unter Anderem seien sein blühender Tulpenbaum und seine Araukarien erwähnt.

Die Reiseleiterin zeigte ein paar Besonderheiten der Stadt, ging aber besonders auf das Leben des hl. Pater Alberto Otardo ein, der erste chilenische Heilige; er war quasi Sozialarbeiter. Seinen Namen in irgendeinem Heiligenverzeichnis fand ich aber nie.

Baden im Pool brachte etwas Abkühlung. Wir waren vom Laufen in tropischer Sonne ziemlich „durch“. Wasser sparen war oberstes Gebot auf dem Campingplatz. Außer uns keine Gäste.

Im Campingplatzterrassenbistro, wo außer uns keine Gäste waren, lief geiler Hard Rock, aber volles Rohr.

Ps. Abendspruch: „Wie die Gruppe, so die Suppe.“

 

Tag 7 (Donnerstag), 04.04.2019

Am frühen Morgen war es in der 2. Region Chiles schmierig heiß. Die Frühgymnastik fiel heute aus, da wir bereits um 8 Uhr aufbrachen.

Heute verlief unsere Fahrtstrecke durch die „eigentliche Atakamawüste“, kurz hinter Antofagasta an einem Gefängnis vorbei. Die Reiseleiterin führte aus, dass es auch im heutigen demokratischen Chile in Einzelfällen noch politische Gefangene geben könnte, nicht mehr in der verheerenden Dimension wie unter Pinochet, dennoch auch heute noch Menschen aus der Gruppe der Mapucheindianer, die weiterhin für ihre Rechte politische Agitationen durchführten. Die Reiseleiterin gab einen kurzen Überblick über ethnische Gruppen: am größten ist die Gruppe der MAPUCHE, auch Araucaner genannt. Ihr Zentrum aber liegt in TEMUCO in Südchile.

Eine Kupferplatte, die auf einem Felsbrocken angebracht ist, der direkt an der Leitplanke der Autobahn steht, weist auf den Wendekreis des Steinbocks hin. Wir waren nun also endgültig in den inneren Tropen angekommen. Im Hintergrund zur Linken riesige Abraumhalden (TORTAS), stufenmäßig aufgeschichtet.

Zur Rechten fuhr ein langer Güterzug durch die Öde; er hatte Säurecontainer geladen.

Die Wüstenlandschaft war heute deutlich breiter als gestern. Sand- und Geröllflächen waren an vielen Stellen unappetitlich von industriellen Spuren durchzogen. Furchen, Fahrspuren, Gräben, Bodenverfärbungen durch Menschenhand, Schrott und Müll, schmutziger Staub hüben und drüben. Die beige-grauen abgeschliffenen „Kissenberge“ (meine Wortschöpfung) in gleißender Sonne wirkten da geradezu blass und harmlos.

EXKURS Wir sprachen über Wagners „Götterdämmerung“, „nur so“: „Hagen, was tust du, was tatest du?“

300 Liter Diesel nachgefasst. Der Tankstellenboden bestand aus fest gefahrenem Staub. Geparkte Transportauflieger mit Supertrucks darauf (Reifenhöhe 3,50 Meter). P. bekam einen Kaffee mit Milch und Zucker. Charmante Señoritas im engen Tankstellenladen. Asphaltcowboyatmosphäre.

Entlang der Strecke immer wieder Geisterstädte – Ruinen von Salpeterfabriken und ehemaligen Siedlungen (z.B. CHACABUCO, die während der Pinochetdiktatur als Gefängnisanlage diente. Ein Entkommen der Flüchtlinge war von hier nicht möglich).

Im Irgendwo an der Strecke durchschritten wir irgendeine Ruine (ca. 100 Jahre alt) – ich würde mal behaupten: maßlos verschandeltes Terrain, punktuell nostalgisch schön, wenn ich nicht genau hinsah. Die Reiseleiterin beschrieb das Leben der ehemaligen Arbeiter dort.

Seit Stunden machte die unberührte Natur in der Atakama Pause: überall Relikte und tiefe menschliche Wirkungsspuren in der Erde. Die Abraumhalden resultierten weitgehend vom Kupferabbau (und damit einhergehend auch Gold und Silber), wie Die Reiseleiterin berichtete. Die Riesenlader konnten wir beim Auffüllen der enormen schlangenartigen gestuften Halten aus der Ferne beobachten. Einige dieser Fahrzeuge standen auch in Straßennähe.

Ein paar Kilometer weiter war ein alter Friedhof. Der Tod bekam hier für mich ein Gesicht: das Grab von REBEQUITA, der kleinen Rebecca, war mit einem weißen Zäunchen eingefasst, darin Reste von Schmuck in Gestalt alter Konservendosen. Jemand hatte REBEQUITA  vor längerer Zeit 2 Teddybären aufs Grab gelegt. Die meisten Grabeinfassungen erinnerten jedoch an eiserne rostige Kinderbettchen, einige Verstorbene hatten nur einfachste Grabkreuze aus Dachlatten.

Die Aufrechterhaltung der Versorgung hier mit Lebensmitteln, Treibstoff usw. musste eine extreme Herausforderung sein, denn außer Staub gab es hier nichts. P. parkte unseren geländetauglichen Bus zur Mittagspause auf einer Erhebung abseits der Straße, hoch über Calama, das im Hintergrund zu sehen war. Das Wetter war zu diesig, um von hier aus bereits die 6000er der Anden erkennen zu können.

Besuch bei der CODELCO am Nachmittag: Man gab uns orangefarbene Warnwesten und ebensolche Helme für die rd. 40 Kilometer weite Exkursion per Firmenbus, die Renato, Mitarbeiter des weltgrößten Kupferproduzenten CODELCO (Leitspruch: „ORGULLO DE TODOS“ – „der Stolz aller“), von CALAMA nach CHUQUICAMATA für eine insgesamt 40-köpfige Gruppe (incl. uns) führte. Thema war der Kupferabbau im Tagebau. Zuerst Besuch der Ruinenstadt CHUQUICAMATA, die auf 2800 Metern liegt und im Jahr 2008 geräumt worden war. Rund die Hälfte der Stadt ist mittlerweile unter gewaltigen Abraummassen begraben.

Der Rest soll ein Freilichtmuseum werden, wo vielleicht irgendwann mal ein Film gedreht wird, in dem der SALON DE TE CARLONCHO, das HOTEL WASHINGTON oder das ESTADIO ANACANDA vorkommen. Alles war tipp-topp aufgeräumt. Selbstverständlich kein einziges Auto.

Im Anschluss: Der Firmenbus brachte uns in den riesigen Krater, wo aktuell im Tagebau Kupfer abgebaut wurde. Alles wirkte monströs: die Ausmaße des Kraters, die Maschinen und Fahrzeuge, auch die Anlagen, wo die Aufbereitung der Erdmassen erfolgt. Hier wurden täglich 400.000 to Erdmassen abgebaut und chemisch aufbereitet. Der ovale Krater, geprägt von weißlichem Staub, war an seinen Flanken ein Gewirr von Fahrwegen. Ich zählte etwa 70 Stufen, die in den Berg hineingetrieben waren. Die gesamte Exkursion bei CODELCO dauerte etwa 3 Stunden.

Nach der Besichtigung der Mine fassten wir im Supermarkt JUMBO ein  Lebensmittel nach. Als wir nach 45 Minuten zurückkamen – die bedauerliche Erkenntnis, dass in unseren Bus eingebrochen worden war. Jemand hatte zum Fahrgastraum hinten rechts eine Scheibe eingeschlagen. Zum Einstieg war das Loch zwar zu klein, aber Js. Rucksack einschließlich Reisepass war weg.

 

Tag 8 (Freitag), 05.04.2019

J. nahm in den frühen Morgenstunden den Flieger nach Santiago, um bei der deutschen Botschaft Ersatzpapiere zu beschaffen.

Um Calama herum zahlreiche Windparks und Photovoltaikanlagen. In der Wüstenstadt stellte man sich energietechnisch auf die Zukunft ein. Herrliches Panorama mit den Anden im Hintergrund.

Die Reiseleiterin berichtete, dass der Tagebau in Chuquicamata und in der Umgebung in Kürze eingestellt würde. Man wolle auf Untertagebau übergehen, und das bereits ab 2020. Sozialpläne liefen schon.

Der Durchschnittlohn in Chile lag zwischen 800 und 1.500 US $. Die CODELCO zahlte vergleichsweise sehr gut.

Chuquicamata bedeutet Lanzenspitze und nimmt damit in der indigenen Sprache bereits Bezug auf das Kupfer. Chile birgt 40% der weltweiten Kupferreserven.

Die Reiseleiterin erklärte in Grundzügen die aufwendigen Produktionsprozesse für Kupfer, die anorganische Chemie lässt grüßen.

Die Riesentrucks, die wir am Vortag gesehen hatten, besitzen ein Gesamtgewicht von bis zu 400 to, in der Anlage in Chuquicamata fuhren sie mit 20 km / Std.

Aufgrund von Regenfällen im Februar war die Wüste in 3300 Metern zart erblüht – die Vulkankegel der Hochanden scheinbar gegenüber. Der britische Forscher Sidney E. Hollingworth, ist in dieser Landschaft bestattet, irgendwo abseits der jetzigen Straße, wo er als Geologe geforscht hatte. Er war lt. Grabaufschrift am 23.6.1966 verstorben. Der Himmel trug nur ein paar vereinzelte kleinere Wolkenfelder, die die Andengipfel aber nicht toppen konnten.

Baustelle in dieser Höhe, einspurige Verkehrsführung auf der einzigen Straße – warten, warten, warten, bis irgendwann mal Autos entgegen kamen. Die Baustelle muss ziemlich lang gewesen sein. Ein vermummter Arbeiter in Gelb gab nach 20 Minuten unsere Richtung frei.

Wir fuhren hinab auf 2200 Meter. Die Wüste floss in großen Bodenwellen zu Tal in Richtung Salzsee.

Wir kamen in die „Ebene der Geduld“ (campo de paciencia) unweit der argentinischen Grenze – das nach einem weiteren längeren Stau – und fuhren dann in die Salzberge hinein, rings herum die mächtigen Vulkane, die in der Kollisionszone der Nazcaplatte mit der südamerikanischen Platte entstanden waren.

As´ Kommentar am Mirador der Cordillera de la Sal: „ISCH DESCH SCHEE“ beim Anblick rötlicher Gesteinsschluchten, die von dunklem Weiß, das vom Salz herrührt, großflächig durchsetzt sind.

Um San Pedro de Atacama war die Gegend von grünen Büschen und sogar von Bäumen durchzogen, die Böden salzverkrustet.

Die LIKANATAI (so die hiesige indianische Urbevölkerung) arbeiten heute im Dienstleistungsbereich. Ackerbau und Kameloidenzucht gab es nur noch von untergeordneter Bedeutung.

Vor Mittag erreichten wir den TAMARUGO- und CHAÑARES-Wald (beides Akazienarten), künstlich angelegt, die Bäume bis etwa 8 Meter hoch, mit der Fähigkeit, aride Verhältnisse und salzigen Boden zu vertragen. Der Vulkan NAZCA lag in den Baumwipfeln versteckt. Das Örtchen TOCONAO lag in der Nähe. Lange dauerte die Fahrt ins Grüne aber nicht. Die Wüste hatte uns bald wieder, beige-grau und recht flach, dahinter das Andenpanorama. Wir gelangten in den Salar de Atacama, der eine Ausdehnung von rd. 100 km hat, teilweise unter Schutz gestellt, insbesondere wegen des Lebensraums für Flamingos.

Bei der Anfahrt in die Salzwüste dachte ich an Stoppelfelder nach erstem Novemberschnee. Man hätte meinen können, ein Bauer hätte seinen übergroßen Acker gepflügt und Eis hätte ich auf die Erdschollen festgekrallt.

Besucherzentrum: Es herrschte Stille, als wir die Reservatsflächen durchschlenderten. Das Wasser der Lagune war lebendig – Vögel, Echsen am Ufer, Libellen verrichteten ihr Tagewerk in dem Naturwasser, das nach Kloake roch. Schaumige Erdkrusten, nass und keine wie die andere, kniehoch. Die Wasser glitzernd und auch wie zarte milchige Spiegel. Trittspuren von Flamingos im Schlick, dann wieder türkisfarbene Zonen und Schlamm. Pfützen, Rinnsale und Seen gaben den salzigen Geschmack auf den Lippen. Ich zählte überschlägig mindestens 30 schneebedeckte Vulkangipfel und darüber war der übergroße tiefblaue Himmel gespannt.

Wir mussten eine Schotterpiste nehmen, um nach San Pedro de Atacama zu kommen, denn Durchfahrhöhe und enge Straßen ließen unser großes Fahrzeug nicht zu.

San Pedro de Atacama – von Touristen überlaufen, aber originell, denn die uralte Bausubstanz mit „Steinen“ aus getrocknetem Lehm und Stroh verliehen dem Städtchen eine einzigartig schöne Reminiszenz.

Die Kirche in San Pedro de Atacama stammt aus dem 16. Jahrhundert. Das Dachgestühl ist aus dem mittlerweile seltenen Kakteenholz, das mit den vielen Löchern.

Ich kaufte einen kleinen Anhänger aus 925er Silber mit einem Lapislazuli, dem für diese Region typischen Halbedelstein.

Es wurde frühzeitig zu Abend gegessen, denn den Sonnenuntergang wollten wir im Mondtal erleben.

Dann waren wir im Mondtal, so die Bezeichnung einer besonderen Landschaft, die wie eine Mondlandschaft auszusehen scheint, und wo der Sonnenuntergang besonders schön ist. Nach Umstellung irgendwelcher Zugangsvorschriften kamen wir zwar nicht zur „Top-Stelle“, aber unser Ausweichmirador war auch ganz nett und exponiert. Die Anden lagen im Nebel, über der vorgelagerten Landschaft strahlte jedoch der wolkenlose Himmel. Zahlreiche Besucher waren in Erwartung des Sonnenuntergangspektakels gekommen, Jahrmarktatmoshäre war jedoch nicht zu vermeiden. Die Uhr zeigte 19:30 Uhr, als die Sonne golden vor bizarr rot-weißer Landschaft für heute verschwand.

Bei der Rückkehr vom Pisco-Sour-Dämmerschoppen in der Stadt erlebten wir einen gefluteten Campingplatz. Die Reiseleiterin hatte aber bereits Holzpaletten als Zugangshilfen vor den Bus legen lassen.

 

Tag 9 (Samstag), 06.04.2019

Heute bereits um 4 Uhr aufgestanden. Alle Kleider, die ich dabei hatte, trug ich am Leib, denn in Bälde sollten wir auf 4300 Metern bestenfalls minus 7 Grad haben.

Unser Fahrer Laurenzio holte uns um 5 Uhr am Campingplatz ab. Um 6:30 Uhr hatten wir das Geysirfeld erreicht. Aus etwa 30 Erdöffnungen rauchte oder sprudelte es gespenstisch; dann ging die Sonne auf.

Laurenzio hatte Frühstück vorbereitet: Kaffee, Tee, Kuchen und Rühreisandwich. Anschließend nutzte ich die Chance, in 35 Grad warmem Wasser vor schneebedeckten Andengipfeln in der Geysirfeld-Freibadeanstalt ein erquickliches Bad zu nehmen, ebenso meine Schwimmschwestern A. und T. sowie mein Schwimmbruder B.

Eine Vikuñaherde von etwa 20 Tieren kreuzte die Fahrbahn auf dem Weg zurück über 2000 Meter talwärts durch grüne Buschlandschaft vor schneebedeckten Vulkankegeln. Wir erlebten weitere Vikuñas und 2 Füchse, die so zutraulich waren, dass man hätte meinen können, sie wollten die Wagenpapiere kontrollieren.

Die Reiseleiterin erklärte die Bevölkerung der BOFEDALES (das bedeutet Fluss, der zum Sumpf wird) durch Vogelarten wie z.B. die GAVIOTAS ANDINAS (Andenmöwe) oder TAGUAS GIGANTES (Riesenbläßhühner). Alles lag in Braun-, Blau- und Grüntönen wie im Märchen und natürlich schneebedeckte Vulkane.

An einem exaltierten Mirador gabs einen Blick auf eine Boraxmine, gelegen in grandioser Landschaft, dazu schmucke, aber allereinfachste Arbeiterhäuschen.

Die Verkostung eines Lamaspiesses in Matschuko wollte ich mir auf keinen Fall versagen. Als Nachweis für die Bezahlung gabs eine Serviette mit Stempel. Der Grillmeister grillte publikumswirksam wie ein Weltmeister.

Die Reiseleiterin erklärte die Zubereitung von Wildgansbraten: man fülle die Gans mit Steinen. Wenn die Steine gar sind, ist auch die Wildgans gar. Also im Prinzip nicht zum Verzehr geeignet.

11.30 Uhr: Chileflamingos in einer Lagune in 4000 Metern Höhe zur kurzen Beobachtung freigegeben. Dann noch einmal Fotostopp für den LICANCABUR, Hausberg von San Pedro, bevor wir ins Tal abfuhren, viele weitere Gipfel inclusive.

Nach der Mittagspause in San Pedro verließen wir die in 2300 Metern gelegene Gegend unterhalb des LASCAL wieder in Richtung Calama. Wir waren im Gebiet, die von Minenarbeit geprägt ist. Die Reiseleiterin las aus dem Werk von MORARILLO „Der Teufelsstollen“ (spannend und bewegend aber Nachrecherche nicht gelungen).

Wir waren recht früh auf dem Campingplatz, gut so, denn nach gut 1 Woche Rotelreise musste das Gepäck neu geordnet werden, zumal die nächtliche Geysiraktion den Kleiderschrank vollends auf den Kopf gestellt hatte, und ab morgen für 5 Tage Hotelgepäck vorzubereiten war.

Wasser holen endete in einer brüllend komischen Wasserschlacht, da in Ermangelung eines sauberen Wasserschlauchs versucht wurde, die Eimer direkt am Hahn zu füllen, was wegen des hohen Wasserdrucks gehörig misslang. Ohne Schuldzuweisungen und keine Namensnennungen.

 

Tag 10 (Sonntag), 07.04.2019

Voller Bass die ganze Nacht aus der Disco direkt neben dem Campingplatz, infernales Getöse, temporär wie von großen Schiffsschrauben. Ja und dann war auch festzuhalten, dass die letzten voll frisierten Mofas, die ohne Auspuff protzten, lautstark die Gegend zu unserer Frühstückszeit verließen. Die Reiseleiterin sagte, dass Feiern in Südamerika mit großer Lautstärke einherzugehen pflegt.

Heute gings den RIO LOA aufwärts nach Bolivien in Höhen bis 4000 Meter mit dem Ziel Uyuni. Ein langer Fahrtag lag vor uns, Einreiseformalitäten an der bolivianischen Grenze eingeschlossen. S. und ich waren im bisherigen Verlauf der Reise damit beauftragt worden, auf den Campingplätzen für Strom zu sorgen (Außenbeleuchtung, Ladestation). Wir nannten uns jetzt das Stromerteam.

Gestern Abend machte ich einen großen Garderobenwechsel, und E. bemerkte heute, dass mein Oberhemd ziemlich knapp säße. Er selbst habe ebenfalls mehrere davon und erklärte diesen Umstand mit Kalorien, die nachts kommen, um Kleidung enger zu nähen, ohne dass man es direkt bemerkt – äh, es war mein Lieblingsoutdoorhemd, das jetzt so körperbetont saß, o dolores.

Die Reiseleiterin referierte über Salvatore Allende (1907 in Valparaiso -1973 in Santiago de Chile, ursprünglicher Beruf: Urologe), der im 3. Anlauf ab dem Jahr 1970 die erste sozialistische Regierung in Chile führte. Am 11.09.1973 gelang der Putsch des Pinochet-Regimes, das mit Hilfe der CMI (Geheimpolizei) die Macht sicherte. Es hielt ein neoliberales Wirtschaftssystem Einzug, zunächst erfolgreich doch bei ungleicher Verteilung. Im Oktober 1988 wurde die Pinochet-Ära durch Referendum abgewählt. 2005 erkannte man Pinochet den Konsulstatus ab, und er konnte vor Gericht gestellt werden. 2006 starb er, ohne abgeurteilt worden zu sein. Von 2006 bis 2010 regierte die erste Frau in Südamerika überhaupt – Michele Bachelet, und das, obwohl sie sich als Atheistin bezeichnet. 2010 durfte sie aufgrund von Verfassungsänderungen nicht mehr antreten. Seit 2018 ist Sebastián Pinera mit einer konservativen Regierung erneut Staatspräsident Chiles, nachdem er aus Verfassungsgründen (eine Wahlperiode) aussetzen musste.

Dann berichtete die Reiseleiterin über die historische Aufarbeitung der Pinochet-Ära und über die heutige strenge Korruptionsbekämpfung in Chile.

Bedingt durch große Höhen wurde die Haut sehr trocken. Ich hatte die Hände dick mit Creme einbalsamiert, was aber nicht viel brachte.

Fotostopp am CANON DE SAN PEDRO, wo es Punagras und Punakakteen gibt. Der SAN PEDRO Vulkan rauchte, geologisch betrachtet ein junger Vulkan. Im Vordergrund sah man junge erkaltete Lavaströme.

3000 Meter erreicht. Der Cocatee aus dem Beutel war mehr als gewöhnungsbedürftig. Die Schönheit der Landschaft war im Bild nicht zu fassen, zum Beispiel die Vulkane SAN PEDRO und SAN PABLO mit je 6000 Metern scheinbar direkt nebeneinander standen. Die Bahnstrecke von Antofagasta rüber nach Bolivien führte entlang unserer Straße. An der unbedeutenden ESTACIÓN ASCOTAN trafen wir auf den Zug, der Diesellokführer des langen Güterzugs hupte zur Begrüßung. In der Umgebung von ASCOTAN wird Borax abgebaut.

Unterhalb der „Tres Moños“ lag der SALAR CARCATE in beige mit einigen weißen Rändern.

Noch am Vormittag machten wir in dem chilenischen Ort OYAGO auf 4000 Metern eine Restobstpause vor der bolivianischen Grenze.

Heute Nacht wurden in Chile die Uhren umgestellt (1 Stunde zurück), somit auf die gleiche Zeit, die auch in Bolivien galt.

Namensähnlichkeiten: Um 11 Uhr checkten wir im Grenzort AVAROA in Bolivien ein, ein Ort, der aus ein paar erbärmlichen Containergebäudlichkeiten bestand. In 2018 hatte ich dagegen das Glück, die kubanische Stadt BARACOA zu sehen. „A AVEROA ME VOY“ – „ich haue ab nach Averoa“ in Bolivien dürfte also für mich nicht zutreffen, „A BARACOA ME VOY“ – in Anlehnung an das berühmte kubanische Lied –  schon.

Bolivien hat dank seiner östlichen Gebiete eine sehr hohe Biodiversivität. Das Hochland hat nur den geringeren Anteil daran. Außerdem besitzt Bolivien eine sehr große ethnische Vielfalt (insgesamt 36 Ethnien), insbesondere die Quechua. Bolivien war lange mit Abstand das ärmste Land Südamerikas.

Mittagspause am Fuß des ROLLÜQUE. Ich aß Vollkornbrot und Fleischwurst (jeweils Dosenkost aus Altbeständen der Bundeswehr). Statt Nachtisch fiel eine Kamera in den Staub. (Wahrscheinlich kann ich sie entsorgen.) Jetzt meinte ich noch vermeintlich, die Ersatzkamera und das Handy einsetzen zu können, was sich als ziemlich heftiger Fehler erweisen sollte, denn die Ersatzkamera speicherte fast zum gleichen Zeitpunkt nicht mehr, und die Handybilder waren, was Auflösung betrifft, von eher schlechter Qualität. Ergebnis: liebgewonnene Reisegefährten halfen mir ex post mit ihren Fotos aus.

Wir fuhren mitten durch ein Gebiet von Vulkankegeln, die in verschiedenen Grüntönen daherkamen. Vicuñas kreuzten den Weg. Der Boden: sandiger Staub mit Buschbewuchs, Wasser war kaum auszumachen. Ich hatte den Eindruck, dass die Vicuñas hier weniger scheu waren als die Guanakos in Patagonien. Vicuñas sind die „Ballerinas“ unter den südamerikanischen Kameloiden. Die Wolle der Vicuñas gilt als die hochwertigste Wolle weltweit.

Im Valle de las Rocas waren auf der Reise die ersten Lamas, die domestizierte Art der Guanakos, zu sehen. Lamas werden nicht im Stall gehalten. Die Bauernfamilien kennzeichnen ihre Tiere, die von Hirten betreut werden, durch bunte Wollstreifen. Fleisch und Wolle der Alpacas gelten als hochwertig.

Die erste Siedlung seit der Einreise nach Bolivien erblickte ich nach etwa 2 Stunden Fahrt, die Berge links und rechts der Piste nahmen an Höhe ab. Erste Quinoafelder tauchten auf; weitgehend waren sie bereits abgeerntet. Quinoa gilt als das Getreide der Armen.

Tipp: das Wasser, mit dem man Quinoa vor dem Kochen wäscht, kann als Haarwaschmittel verwendet werden. Es verleiht dem Haar Glanz.

Im Vergleich zu Chile waren die Strommasten entlang unserer Route in dieser Gegend kleiner. Außerdem bestanden sie aus Holz und trugen weniger Kabelstränge.

14:30 Uhr: Vicuñas, dahinter die eher unscheinbaren Quinoafelder und wiederum dahinter ein kleiner Salar (Salzsee im Altiplano) vor einem Panorama aus verschiedenen Berghöhen, quasi alles auf einmal. Leider war das fotografisch nicht festzuhalten.

Ortschaften, wie zum Beispiel das Dorf CULPINA, das im Altiplano liegt, wurden erst vor rund 10 Jahren auf Betreiben der MORALES-Regierung an das öffentliche Strom- und Wassernetz angeschlossen. Bis dahin waren die Bauern ausschließlich Eigenversorger (SUBSISTENZBAUERN) gewesen. Bei der Umfahrung von CULPINA – die Hauptstraße wurde gerade ausgebaut –  sahen wir Quinoafelder, die immer noch in Arbeitsteilung bewirtschaftet werden. SAN CRISTOBAL war da schon etwas größer, doch auch in SAN CRISTOBAL waren die Straßen unbefestigt.

Die Insignien des Pseudoheiligen J. des Fliegenden: In einer Pause meinte J., er würde bereits schon ein heiligmäßiges Leben führen. Darauf beschlossen wir ohne Gegenstimme, ihm als Heiligkeitsinsignie (als sein Symbol quasi) einen grünen Reisepass zuzuschreiben, für den er eigens von Calama nach Santiago de Chile und wieder zurück fliegen musste. Schallendes Gelächter. Ein Wunder geschah auf den Fuß: E. fand ein bolivianisches Autokennzeichnen neben der Piste aus gefrästen Sand-Salz-Gemisch, die jedem fahrenden Auto eine gewaltige Staubwolke folgen ließ, so dass man hätte meinen können, die PUNA- und YARETA-Sträucher  müssten jedes Mal in Deckung gehen, wenn ein Fahrzeug passiert.

Wir überquerten den Rio Grande, der wie alle Flüsse im Altiplano schlicht versickert.

30 Kilometer vor Uyuni war in der Ferne der Vulkan TUNUPA zu erkennen, der den Salar nach Norden hin begrenzt. Kurz vor Uyuni folgte der Rio Colorado.

Exkursgelächter: Das aus Langeweile ursprünglich geplante Basteln mit S. für P. musste aufgrund der vielfältigen Eindrücke heute leider ausfallen.

Wir hatten ein sehr schönes Hotel in Uyuni, die Stadt, die ansonsten sehr erbärmlich rüberkam. Im Eingangsbereich des Hotels stand eine Sitzgarnitur aus Salzstein.

Ich kaufte eine Wolldecke, außerdem Schmuck bei Melvie, die in der Innenstadt einen Schmuckverkauf auf einer Außentreppe betreibt.

Zum Abendessen gabs Quinoasuppe als Vorspeise, dann Lamakotelett mit Beilagen und als Dessert heiße Bananen gefüllt mit Schokolade.

Die heutigen Bolivianer – vielleicht etwas „cerrados“ (zurückhaltend), wie Melvie sagte – stammen augenscheinlich unmittelbar von indigenen Völkern ab. Außerdem hatte ich den Eindruck, dass die Stimmlagen der Menschen hier vergleichsweise hoch sind.

 

Tag 11 (Montag), 08.04.2019

Mit 4 Jeeps holten Jonny und die anderen uns um 8:30 Uhr am Hotel in Uyuni ab. Ziel war die Insel INKAHUASI mitten im großen Salzsee. Der Weg dorthin über Speisesalz betrug – ich glaubte es kaum – rd. 100 km.

Bevor es aufs 2 bis 7 Meter dicke Salz rausging, besichtigten wir noch den hiesigen Eisenbahnfriedhof, wo sicherlich die Dampflock gemächlich vor sich hinrostet, die Butch Cassidy und Sundance Kid, auf deren Spuren ich nach Patagonien offenbar schon wieder war, zu ihrer Zeit in dieser Gegend überfallen hatten. Im Süden von hier waren sie der Legende nach in einem Schamützel in TUPIZA  erschossen worden.

Nach den LOKs und Waggons auf versunkenen Eisenbahnschienen erwartete uns außerdem noch Juan im Dorf COLCHANI, wo er uns stolz seine Speisesalzherstellungsanlage respektive Abfüllstation präsentierte: ein alter Steintrog, von unten befeuerbar zum Trocknen des Salzes, und eine Gasflamme, um die Verpackungsbeutel zuschmelzen zu können. Nun weiß ich (seit meinem Besuch am Toten Meer im Jahr 2010) auch, dass Salz so ziemlich jedes Bakterium abzutöten vermag, das sich in  einer unasphaltierten Ortschaft wie dieser rumzutreiben versteht. So machte ich mir keine Sorgen und griff bei Juans Werksverkauf zu, bevor ich Juans Baños (=Abort, WC) aufsuchte, die eine Art gut gehende Nebensparte seines Salzverpackungsunternehmens waren.

Nun die Fahrt aufs Salz, fast eher die Fahrt ins Salz: die Lagune war üppig mit Wasser gefüllt, und wir legten einen kleinen Umweg ein. Im seichten Salzwasser, in dem sich die Salzlandschaft spiegelte, schossen wir zur Einstimmung erst mal ein Gruppenfoto.

Während der als unendlich empfundenen Fahrt erzählte Jonny, dass es den Menschen von Uyuni dank des Bergbaus im Altiplano, wo vor allem Silicium abgebaut wird, und dank des Tourismus ganz gut ginge. Wir nahmen dies freudig aus, denn ein Rundgang durch die Stadt Uyuni ließ auf Gegenteiliges schließen.

Jonny hatte CUMBIA aufgelegt und zwitscherte beim Lied „Cerveza“ („Bier“) freudig mit. Dabei achtete er darauf, nach Möglichkeit nicht in die Spur des vorausfahrenden Jeeps zu fahren, einfach um den Salzmatsch auf der Windschutzscheibe zu minimieren.

Blendendes Weiß reichte bis zum  Horizont. Wir konnten dieses Naturschauspiel von Natrium und Chlor kaum glauben und neigten fast dazu, das Salz immer wieder mit Eis zu verwechseln.

Die Augen schmerzten ziemlich früh bei der Fahrt. Kurz vor Mittag erreichten wir die Insel, nachdem mir zwischenzeitig sogar die tränenden Augen hinter der dunklen Sonnenbrille zugefallen waren.

Das Salz war an einigen Stellen triefend nass und bildete Pfützen. Jonny fuhr etwa 50 bis 60 km pro Stunde, nur etwas für Leute, die das Salz kennen und um die Löcher darin wissen.

Die Reiseleiterin sagte, dass wir uns auf 3700 Metern befanden, und dass der Salar (Salzsee) eine Ausdehnung von 160 x 130 Kilometern hat. Da die jährliche Verdunstungsmenge höher ist als die Niederschlagsmenge, wächst der Salzsee stetig. Unter der Salzschicht liegt eine stolze Schicht aus weichem Gestein, das Wasser leicht durchlässt. Salzseen können nur dort entstehen, wo es abflusslose Senken in großer Höhe gibt. Der See gilt verschiedenen Ethnien als sakrosankt.

Jonny und die Jungs bereiteten ein Picknick auf Basis von Lamasteaks vor. Zum Nachtisch gabs Bananen.

2 Stunden waren eingeplant, um den ausgewiesenen Pfad über die Insel INKAHUASI abzuwandern, die kapitalen Säulenkakteen abzufotografieren und die herrliche Sicht auf den Salar zu genießen.

Besonderer Ergänzungswunsch von Señor Doctor: Der obere Teil einer der Kakteen sah aus, als wenn ein übergroßer Mensch die Hände erheben und nach oben blicken würde.

Höhepunkte der Rückfahrt waren der Besuch des legendären Salzhotels auf dem Salar und ein paar sprudelnde Erdspaltenöffnungen in der Lagune.

 

Tag 12 (Dienstag), 09.04.2019

In den höheren Lagen gab es seit etwa 10 Jahren wieder Quinoaanbau und Lamazucht, nachdem die Flächen lange brachgelegen hatten und durch infrastrukturelle Maßnahmen wiederbelebt werden konnten.

Die Reiseleiterin berichtete dann, dass die Stadt PULAKAYO bis 1986 Minenort war (einigermaßen berühmt ist sie die Stadt aber wegen Zugüberfalls von Butch Cassidy und Sundance Kid vor etwa 150 Jahren), um dann aus dem Werk „Wenn man mir erlaubt zu sprechen“ von DOMITILA CHUNGARA über die Situation der Minenarbeiter vorzulesen. Domitila Chungara steht im Kontext mit den Hausfrauenkommitees“ der 70er Jahre des 20. Jahrhunderts; sie verstarb 2012.

Wir fuhren durch eine buschgrüne Landschaft, die von Minibergketten geprägt ist. Hier wuchs auch Punagras, vereinzelt gab es Bäume. Einzelne kleinere Gehöfte lagen entlang der gut ausgebauten Strecke. Das Licht war an diesem Morgen ausgesprochen mild und die Strecke kurvenreich.

Kurz vor der Ortschaft TICATICA rang ich ein wenig nach Sauerstoff, brauchte aber die Krankenstation, die es dort seit Kurzem gibt, selbstverständlich nicht. Es folgte höhere Berge des bolivianischen Hochlandes, auf dessen Flanken sich Säulenkakteen breit machten.

Dann unterschritten wir wieder die 4000-Meter-Marke und der Baumbestand  (vor allem Akazien) nahm sofort merklich zu.

Zu meiner übergroßen Schande gestehe ich, dass ich die von der Reiseleiterin erwähnten Pflanzen an einem Mirador (Aussichtspunkt) leider nicht ausmachen konnte: Greisenkopfkakteen (CERROS), Kugelkopfkakteen (OGANEA) und Opunzien. Ich sah nur große Kakteen … und eine Schlange.

Ein Bofedal (Flussbett ohne Ablauf), eingegrenzt durch sandige Anhöhen, war über und übervoll mit Nutztieren: Lamas, Rinder, Esel und Schafe weideten hierin.

Die heutige Fahrt ging durch die Ostkordilleren, die das Altiplano nach Osten begrenzen. Die höchsten Erhebungen liegen über 5000 Meter. Bei den Ostkordilleren handelt es sich nicht um vulkanisches Gebiet.

Potosi, aufgrund seiner Silbervorkommen einst reichste Stadt der Welt überhaupt, hatte nichts mehr davon. Der Cerro Rico, der Berg Potosis, einst „der schöne Berg“, war für viele zum Berg der Hölle geworden.

Heute leben 170.000 Menschen in Potosi. Über CANTUMARCA, die ehemalige inkaische Siedlung – heute eine Müllhalde – fuhren wir auf die für schwere Fahrzeuge geeignete Umfahrung nach Potosi hinein.

Zu Inkazeiten gab es in CANTUMARCA heißen Quellen. Heute ist dieser Bereich eine einzige Schande. Das Flusstal, in das sich die Müllhalde über mehrere Kilometer erstreckt, ist maßlos verschandelt.

Die Innenstadt zeugte sich uns laut eng und hektisch. Wir mussten ein paar Minütchen vom Parkplatz zum Hotel laufen, denn Parkplätze sind Mangelware. Die Reiseleiterin zeigte uns nach dem Bezug der Zimmer im Hostal Jerusalem einen der Märkte von Potosi. Viele Garküchen boten dort interessante Gerichte an. Ich selbst kaufte einen Fladen aus Maismehl und aß eine Rindfleischsuppe.

Es ging ans Eingemachte: Besichtigung einer Mine im heiligen Berg, dem Cerro Rico. Dort herrschten sehr schwere Arbeitsbedingungen, die Bergsicherung war uralt. Es ist eine „Hundearbeit“. Der Stollen ist nass. Pro Jahr gibt es 30 tödliche Arbeitsunfälle. Dank Helm kam ich unverletzt wieder aus dem Stollen. 6 mal war ich an der Stollendecke angestoßen. Kinder verkauften oberhalb des Stolleneingangs Steine, die sie aus dem Schutt fischten, an Touristen. Überall lag Schrott herum, technische Altertümer ragten in die dünne Luft. Der Boden schien mir kontaminiert. Dreck, wohin ich auch sah.

Zuvor: Wir sahen einen Laden, wo mal neben Arbeitskleidung und Werkzeugen völlig legal Sprengstoff kaufen kann (Mineros arbeiten auf eigene Rechnung), und wo es natürlich auch Cocablätter zuzüglich entsprechender Fermente zu kaufen gibt, damit die Cocablätter auch gut wirken (Coca unterdrückt Hunger und Durst).

Wir kauften tatsächlich Dynamit (TNT) für umgerechnet 12,50 € die Stange und „Überraschungspakete“ (Kippen, Limo, Coca), um ein paar Mineros eine Freude zu machen.

Luis, unser Führer, zeigte uns nicht nur das Dynamit, das in Zeitungspapier eingewickelt war, nein, er machte es mit Zündkapsel  und Zündschnur in der Menschenmenge vor dem Laden auch noch scharf. Den Laden konnten wir nicht betreten, denn der kleine Raum war voll mit Waren. Unser Einkauf erfolgte quasi in der Ladentür, unmittelbar neben ein paar Garküchen auf dem Gehsteig. E. steckte sich das Dynamit zur allgemeinen Erheiterung zwischen die Zähne.

Am Abend kehrten wir im „Paulaner“ direkt neben dem Hotel ein. Es gab dort nur rätselhafte Longdrinks und Flaschenbier. Ein paar junge Paare saßen verstohlen an einzelnen Tischen.

 

Tag 13 (Mittwoch), 10.04.2019

Das Wort Potosi (Betonung auf dem i) bedeutet im Spanischen noch „ein großes Vermögen“. Potosi, einst reichste Stadt der Welt, wurde aber zu Beginn des 17. Jahrhunderts zu einer der ärmsten.

Die „casa de la moneda“ stand heute Morgen im Zentrum unserer Aktivitäten. Es handelt sich um die bolivianische Münzprägeanstalt aus dem 19. Jahrhundert, als der Silberboom in Potosi bereits seinen Zenit überschritten hatte.

Im Jahr 1545 (Stadtgründung) begann in Potosi das Schürfen von Silber, die Ausbeutung der indigenen Bevölkerung dazu wurde als selbstverständlich in Kauf genommen. Man schätzt, dass etwa 8 Millionen Indios im „heiligen Berg“ ihr Leben verloren haben. Die Fördermenge an Silber beträgt insgesamt etwa 16.000 Tonnen.

Der Cerro Rico ist übrigens kein Vulkan. Nirgendwo sonst ist ein Berg bekannt, der größere Silbermengen barg.

Die Reiseleiterin führte durch das heutige Museum „casa de la moneda“, in der man sowohl über die Silberindustrie informiert (Schmelzen, Herstellung von Silberbarren, Münzprägung, Silberverarbeitung), und die auch eine Pinakothek in ihren Mauern hat.

Vor der „Moneda“ gab es einen kleinen Rundgang durch Potosis abgasgeschwängerten alten Altstadtkern, der aber zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört. Besonders beeindruckend fand ich den meztizobarocken Stil (Barock unter Einbeziehung indigener Kunstelemente) und Elemente arabischer Bautradition („Balkone“ an der Plaza del Libro).

Wir sahen das Denkmal für BOLIVAR (Erster Präsident, ab 1825), die Franziskanerkirche und die „Piaza 10 de noviembre“, um nur einige der Architekturdenkmäler zu nennen.

In der Mittagspause tat ich mich an herrlichen Säften, die an vielen Ständen an der Straße angeboten werden, gütlich. Auch kaufte ich für 90 Bolivianos (umgerechnet rd. 12 Euros) einen schwarzen Hut auf einem der zahlreichen und bunten Märkte. El Doctor meinte, ich würde damit wie ein Rabbi aussehen.

Am Nachmittag ging die Reise weiter nach Sucre. Wir überquerten eine Brücke des MACHUCA-Flusses, der gerade kein Wasser führte.

Die Reiseleiterin gab einen Beutel mit Cocablättern in die Runde und referierte über Cocatee, der anregend wirkt, und über das Kauen von Cocablättern, die mit Drogenkonsum nichts zu tun haben. Cocablätter werden hier in großem Stil auf den Märkten angeboten. Morales war, bevor er Präsident wurde, selbst Cocabauer. Coca gilt hier als heilige Pflanze.

Wir überquerten den Rio Pilcomayo nahe einer Brücke, die an die Towerbridge in London erinnerte, und verließen damit die Region Podosi. Die baumlosen Gegenden der Hochenden lagen dadurch fürs erste Mal hinter uns.

Abendessen gabs in Sucres Innenstadt. Als wir gerade auf dem Weg dorthin an SAN MIGUEL vorbeikamen, war die Kirche offen und es ergab sich die Gelegenheit, darin die maurischen Kunstelemente (Kirchendecke) zu bestaunen.

Spät abends machte ich noch einen Stadtbummel und kaufte einen bolivianischen Film (DVD zu 10 Bol; ca. 1,33 Euros) mit dem Titel „El dia que murio el silencio“ („Der Tag, an dem die Stille starb“).

 

Tag 14 (Donnerstag), 11.04.2019

Frühstück im überdachten Patio (Innenhof): Der eigentliche Frühstücksraum war klein. Die Reiseleiterin bat uns, uns bezüglich der Frühstückszeiten zu arrangieren. Gerne, denn der Patio war sehr schmuck und so nahmen L., S. und ich darin unseren 2. und auch 3. Genießerkaffee zu uns, nachdem wir sehr frühzeitig im Refektorium gespeist hatten.

Abmarsch zum Stadtrundgang um 8:30 Uhr. Zuerst zum zentralen Markt, der mich echt begeisterte. Dort gab es ganz verschiedene Warenzonen: für Dulce de Leche (=Arequipe; das für das berühmte Hüftgold), Floristenlösungen z.B. für Palmsonntag oder Hochzeiten und natürlich Begräbnisangelegenheiten, „Nussecken“, Garküchen, Fleisch (Hähnchen und Rindfleisch aus dem Tiefland), Tante-Emma-Läden, Allgemeinobstzonen, Kartoffelstände (auch dehydrierte Kartoffeln, die bis zu 10 Jahren konservierbar sind), Saftstände, Kräuterweiber (Kräuter für alles Mögliche wie z.B. einen verstauchten Fuß oder Liebeskummer; Dosierungsprinzip: „doppelt genäht hält besser“), Schmuck und vieles mehr. Manche Standinhaberinnen verboten sich, rücksichtslos fotografiert zu werden. Zu Recht.

Dann zu Kirche des hl. Franziskus von Assisi – ein herrlicher Bau, ebenfalls mit einer Kirchendecke mit maurischen Mustern in geschnitztem Holz. Eine strenge Polizistin wachte mit Argusaugen darüber, dass die Fotoverbote eingehalten wurden. Sie tat dies in Generalsmanier und war „immer auf Posten“, egal, ob wir das Kirchenschiff, die Empore, die Dachterrasse oder die Krypta, wo Gebeine längst verstorbener Mönche zu sehen waren, besichtigten. Ich durfte ein Foto von ihr machen. Dazu setzte sie eigens ihre Uniformmütze auf und nahm Paradehaltung ein.

An einer Statue zu Ehren des hl. Antonius von Padua betonte Die Reiseleiterin, dass dieser einer der Schutzpatrone von Rotel-Tours wäre, weil er angerufen werden könnte, wenn man etwas nicht findet. Einen besseren Schutzpatron könnte sich ein Rotel-Reisender kaum wünschen, weil man auf Rotel-Reisen ständig nach irgendwelchen Dingen im Bus oder in der Kabine sucht.

Auf weitere Einzelheiten in dieser wunderschönen Kirche will ich nicht eingehen. Dennoch sei betont, so Die Reiseleiterin, dass diese Kirche eine weiße Außenfassade habe. Hintergrund: zur Zeit des Silberbooms lebte in Sucre die weiße Oberschicht.

Nach dem Besuch der Kirche hatte ich fürs Erste keine Lust mehr auf die Rotel-Horde. Auch die Besichtigung der Uni oder des „Eifelturms“ nahm für mich nicht den Rang Nr. 1 ein. Viel lieber wollte ich eintauchen, mich als Tourist unsichtbar machen, und es gelang mir auch: beim erneuten Durchstreifen des Marktes wurden mir z.B. Frischfleisch oder rohe Kartoffeln angeboten, Dinge, die ein Hotelgast nicht brauchen kann. Ich fiel nicht mehr massiv auf, nachdem ich ein paar Touristeninsignien im Hostal abgelegt hatte.

An einem Obststand kaufte ich TUMBOS und CHEREMOYAS, schrieb Tagebuch auf dem Platz im Marktzentrum und beobachtete die vielen indianischen Marktfrauen, die in ihren weißen oder hellblauen Schürzen mit riesengroßen Taschen ihre Ware anpriesen oder Rinderhüften sauber tranchierten.

Nach der Mittagspause im Hostal bei „Pan con Queso“ (Brot mit Käse) und herrlichem Obst setzte ich mich auf die Plaza de Mayo, um das Alltagsleben hier weiter zu studieren. Angelockt durch das Vogelfutter, das Kinder verstreuten, war der Platz voller Tauben.

Ein alter Mann mit indigenen Zügen aus der Bergregion bot mir Kunsthandwerksware an, die mir nicht gefiel. Ich schenkte ihm meinen Kugelschreiber, den ich für einen Obulus wieder zurückkaufte. So musste er nicht um Spenden betteln. Ich glaube, die Lösung gefiel ihm, denn es scheint für Indios nichts Schlimmeres zu geben, als betteln zu müssen. Er hatte Hunger, wie er sagte.

Schülerinnen und Schüler in weiß-dunkelblauen Uniformen überquerten den Platz, Mütter trugen ihre Kleinstkinder in bunten Tüchern eng am Körper, durch die Palmen strich der Wind, Hunde lagen schlafend auf der Erde vor Sucres Denkmal, die Parkbänke waren gut besetzt, ein paar Touristen kreuzten den Platz. Die meisten waren „modern“ gekleidet, doch sah man auch einige Frauen in Poncho und Hut oder in Schürzen.

In der 1624 von Jesuiten gegründeten Universität befindet sich seit den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts ein Museum, das die Helden der bolivianischen Geschichte hervorhebt. Im prunkvollen ehemaligen Auditorium Maximum sind an der Stirnwand die nationalen Helden der kreolischen Oberschicht (Bolivar, Sucre, Malevean) und der indigenen Gruppe (TUPAQ CATARI und BARTOLINA SISA) auf Gemälden dargestellt, eingerahmt von der allgemeinen Fahne Boliviens (rot für Blut, gelb für Bodenschätze und grün für Wälder) zur Linken und der Fahne der Indigenas (Würfelfahne in den Farben des Regenbogens) zur Rechten.

Somit drehte sich in diesem Museum alles um die Unabhängigkeitsbestrebungen im 18. und 19. Jahrhundert. Simon Bolivar (Präsident von – spätestens – 1825 bis zu seinem Tod im Jahr 1830) und Alexander von Humboldt waren übrigens Zeitgenossen, die sich anläßlich der Kaiserkrönung Napoleons begegnet waren.

Die exklusiven ehemaligen Hörsäle bieten dem Besucher zahlreiche Einblicke in die bolivianische Geschichte. Zum Beispiel wird deutlich, dass Bolivien und Argentinien historisch in Wohlverhältnissen zueinander stehen.

Exkurs: Auch in Bolivien gibt es Malbec, den berühmten Rotwein, nicht nur in Argentinien.

Beim Anblick historischer Orden kam E. ins Schwärmen und erzählte mir ausführlichst über sein langjähriges ehrenamtliches Engagement als Narrenpolizist in Lellwangen.

Am späten Nachmittag gabs die erste Krötenwanderung auf dieser Reise: unsere Kröten wanderten im Patio zur Reiseleiterin für die Fakultativausflüge, denn die Reiseleiterin hatte die erste Zwischenabrechnung fertig.

Nach dem Abendessen im „El Solar“ nahmen L., S., B. und ich zum Abschied von Sucre noch ein Glas auf einem wunderschönen Balkon des gestrigen Restaurants, 2 Stockwerke über der Plaza de Mayo.

 

Tag 15 (Freitag), 12.04.2019

Fs. Spruch am Morgen: „Ich wollte mich mit dir geistig duellieren – leider warst du unbewaffnet.“

Mehr Zeit in Sucre hätte jeder aus der Gruppe begrüßt, doch die Fahrt ging weiter. Ein letzter Blick bei Nebel auf Sucre am Zementwerk, wo Paläontologen ein Eldorado fanden, weil man beim Ausbau des Zementwerks wichtige Dinosaurierspuren fand. Ein kleiner Dinopark war gerade im Entstehen.

Aus großer Höhe fuhren wir nun hinab zu Tal, um uns am Nachmittag wieder auf 3000 Meter hinaufzuschrauben. Tiefster Punkt heute bei 1500 Metern.

Die Anzahl der 8-förmigen Serpentinen auf der Routa 5 durch die Ostkordilleren strebte gegen unendlich. Bergab war die Straße asphaltiert, bergauf nicht.

Wie gesagt: wir waren in den inneren Tropen. Aber: Bolivien zum Beispiel hat 86 unterschiedliche Klima- und Biodiversitätszonen von 127 weltweit und liegt damit auf Platz 10. Auf der Westseite der Ostkordilleren herrscht der Trockenwald vor, auf der Ostseite der Ostkordilleren der regenreiche Bergwald. Diese Reise führte jedoch nicht in den tropischen Regenwald. Ich fasse zusammen: Tagesschwankungen sind in den Tropen je nach Standort extremer als Jahresschwankungen in Mitteleuropa.

Das Gebiet, wo die Amazonasquellflüsse entspringen, war nicht mehr weit.

Die Reiseleiterin ging auf botanische Einzelheiten ein, zum Beispiel auf Chacowälder, Bromelien, Pfefferbäume, Luftwurzler, Kakteen, Weihnachtssternbaum, Mangobaum, Bananenstauden …

Die Flussbetten waren breit, doch nur von dünnen Rinnsalen oder Bächen im Schotter durchzogen, die Ufer zumeist schroff abfallend. Auf den Anhöhen sah man kleinere Bäume, dazwischen kapitale Kakteen.

Bei Erdrutschen hätte man als Reisender 2 Möglichkeiten: Aussitzen oder Umwege von teilweise mehreren hundert Kilometer in Kauf nehmen. Jüngst musste es regenbedingte Erdrutsche gegeben haben, denn die Fahrbahn, an der heute Esel grasten, war an manchen Stellen über die gesamte Fahrbahnbreite von Sand und Steinen bedeckt.

Als wir den San Pedro Fluss kurz von Mittag überquerten und damit in das Departamento Cochambamda einfuhren, war es, weil wir bereits weit unter der 2000-Meter-Marke waren, bereits schwülheiß im Bus.

Der Fluss meanderte durch sein breites Tal und ich sah die ersten Stromschnellen und im Uferbereich ein zerrissenes Maisfeld. Die Reiseleiterin sprach über die Karfreitagsdemonstration im Jahr 1952 und über die revolutionäre Partei MNR.

Mittagspause in Aiquile: Vor einer – sagen wir mal „Gaststätte“ oder „Garküche“ – setzte ich mich zu einer Gruppe von Bolivianern. Ich lernte Claudia, Benjamin (Familienoberhaupt), Eliel, Ariel, Amelia und Fernando kennen. Auch ergab sich eine Facebookfreundschaft mit Claudia.

Hier durfte ich auch die Baños nutzen, aß „un poquito“ Schweinebraten und trank ein Bier. Ich bekam auf Spanisch sogar Sprachunterricht in Quechua:

YMASUTIJE = que te llamas

SUTI  Markus = me llamo Markus

AiQUILE  PIKASANJE = estoy en Aiquile

Ab der Mittagspause erwartete uns eine Rumpelstrecke, denn die Straße war aus Kieseln. Ausführungen über Che Guevara, der unweit von Aiquile gekämpft hat und erschossen wurde, durften natürlich nicht fehlen. Neben dem Werk „Die Reisen des jungen Che“ ging Die Reiseleiterin auf die „Routa del Che“ sowie auf die Bücher von Juan Guevara (jüngerer Bruder von Che Guevara), der jüngst eine Biografie über Che veröffentlicht hat, und über Ches bolivianisches Tagebuch ein wenig ein.

Der Sohlenpunkt der heutigen Etappe war die Brücke über den Rio  MIZQUE, die wir aus großer Höhe bereits vom unbefestigten Pistenrand sehen konnten, dazwischen zahlreiche Serpentinen mit etwa 10 % Steigung durch Buschland.

Kurz vor der Brücke erneut Fotostopp, um die 5-rippigen San-Pedro-Kakteen zu fotografieren. Dabei trat ich in einen Kaktusdorn von 4 cm, der sich durch die eigentlich feste Sohle der rechten Qutdoorsandale bohrte.

Zum Glück drang er nicht tief ins Fleisch ein, doch Laufen der paar Metern bis zum Bus fiel dank des sehr heftigen „Piekses“ dennoch ziemlich schwer; man musste mich stützen. Ich versorgte den Fuß mit Desinfektionsmittel.

Den Übernachtungsplatz irgendwo ganz oben bei 3000 am frühen Abend erreicht. Als wir ankamen, flog ein Schwarm Smaragdvögel vorbei. Dann war sehr still hier. Es gab keinen Strom. Wir waren mitten in der Natur. Etwas entfernt einige armselige Häuschen.

Streulicht war hier nicht zu erwarten. WC – die Damen hüben, die Herren drüben, mindestens 50 Meter vom Bus weg. Buschland mit ein paar pappelähnlichen Bäumen.

Wie aus dem Nichts tauchten 2 kleine Kinder unweit des Busses auf. Habe jedem Kind, dem Mädchen wie dem Jungen, je 1 Zitrone und ein paar Erdnüsse gegeben.

Ich ging spazieren. Eine Frau sortierte etwa 2 Zentner Kartoffeln direkt an der einzigen Straße und steckte sie in blaue Plastiksäcke, die sie zur Abholung bereitstellte.

Heute war nach meinen Berechnungen Bergfest, das heißt, die halbe Reise war bereits um.

Die Siedler von Catan: Die Reiseleiterin hatte dieses Spiel für die Kinder des Landbesitzers mitgebracht. B. erklärte die Spielregeln und Die Reiseleiterin spielte am Abend mit den Kindern Margareta, Edelfrida und Franklin dieses Spiel. Dazu gab es für die 3 was zu essen und zu trinken sowie ein paar Klamotten. Am folgenden Morgen besuchte uns die ganze Familie, soweit sie zuhause war, denn einige weitere Kinder arbeiteten bereits in der Stadt, wo sie auch wohnten.

 

Tag 16  (Samstag), 13.04.2019

Calixto und Emilia waren zum Frühstück mit ihren 3 jüngeren von insgesamt 6 Kindern wieder am Bus. Die Reiseleiterin versorgte sie. In der Familie wird AYMARA, QUECHUA und CASTELLANO gesprochen.

Die Reiseleiterin berichtete, dass die Campesinos in dieser Region auf ca. 3000 Metern seit ein paar Jahren an das Strom- und Wassernetz angeschlossen wären. Teilweise gäbe es bei den Kleinbauern, die insbesondere Bohnen, Zwiebeln und Kartoffeln anbauen, sogar Traktoren.

Die Region von Cochambamba hat aufgrund des Niedergangs des Bergbaus in den 80er Jahren eine Bevölkerungsexplosion erlebt. Auf den Feldern standen blaue Plastiksäcke für den Abtransport der geernteten Kartoffeln, denn hier war im April mittlerweile der Herbst gekommen.

Mit dem Spruchband „Das Wasser gehört uns, verdammt nochmal“ (Übers.) revoltierten die Campesinos vor einigen Jahren gegen die Privatisierung der Wasserrechte, die mit Vertrag vom 3. September 1999 zwischen HUGO BANZER und dem BECHTEL-Konzern geregelt wurden, und die den Campesinos wie auch anderen Bevölkerungsgruppen um Cochambamba die Lebensgrundlage nahmen. Am 11. Januar 2000 begann der Wasserkrieg, der bis 2006 dauerte.

Hs. Höhenmesser zeigte 3600 Meter an. Es blühten gelbe Blumen, Rinder standen auf grünen Wiesen, die Landschaft war hügelig und regelmäßige Baumgruppen verliehen der Landschaft, in die Gehöfte eingebettet waren, Anmut.

Unter dem Titel „Das Teufelsmetall“ (Übers.) wurde in Romanform die ROSCA – das war eine Clique aus 3 Zinnbaronen und Boliviens Oberschicht zu Beginn des 20. Jahrhunderts – ein Stück weit aufgearbeitet, der Gestalt, dass auch der Zinnboom wie bereits auch der frühere Silberboom Bolivien nicht weiter gebracht hatten. Stattdessen blieb Bolivien auch im 20. Jahrhundert in kolonialen und patriarchalischen Strukturen verhaftet. Namhaftester Vertreter der Zinnbarone war Patiños.

Boliviens Schicksal ist, immer ausverkauft worden zu sein, trotz enormer Bodenschätze. Auch seinen Zugang zum Pazifik hat Bolivien verloren.

„Liebe zur Arbeit und Respekt vor dem Gesetz“ (Übers.) steht in großen Lettern an Patiños ehemaligem Herrschaftshaus, das er wegen der Höhenlage aus gesundheitlichen Gründen nie bewohnt hat. Haus und Park wurden 1927 fertiggestellt. Es bot sich uns eine Fülle architektonischer Schönheiten, wie sie zur damaligen Zeit in der Oberschicht modern waren, alles mit Materialien aus Europa. Besonders bemerkenswert der Ballsaal, wo auf dem Kaminsims menschenhohe Musen kokettieren. Der Ballsaal hat eine Deckenhöhe von 12 Metern. Aus ihm führt eine prunkvolle Innentreppe noch oben in die verspiegelte Galerie, die mit vatikanischen Motiven geschmückt ist; in dieser Art ist es im gesamten Haus.

13:30 Uhr auf der Plaza de Cochambamba, die mit Flaschenbäumen geziert ist, ein wunderschöner Platz. Die „Freizeit“ bis 15:30 Uhr kam gerade Recht, denn ich war von Vorträgen übervoll.

So nahm ich mir eine Auszeit und strebte sofort den bunten Mercado Central an (Offizieller Name = „Mercado 25 de Mayo“), wo sich bald eine landestypische Möglichkeit ergab, in einer der unzähligen Garküchen so was wie eine Gulaschsuppe in einer winzigen Sitzecke, in der schon 2 Bolivianer saßen, einzunehmen. Susana, die Standbetreiberin, bat zu Marketingzwecken herzlich um ein Foto von ihr mit mir direkt hinter den Kochtöpfen; ich konnte es ihr nie zukommen lassen, denn die Adresse, die ich notiert hatte, muss leider unvollständig gewesen sein. Die Arkadengebäude auf der friedlichen Plaza, wo vor 20 Jahren wegen des Wasserkriegs Ausnahmezustand herrschte, mussten noch ein wenig auf mich warten.

Ich kaufte ein Büchlein mit Übersetzungen zwischen Castellano, Quechua und Aymara. Auf der herrlichen Plaza trank ich dann einen Saft, dessen Name ich nicht verstand, aus Früchten, deren Namen ich auch nicht verstand.

Bevor wir zum Campingplatz fuhren, besuchten wir die imposante Christusfigur, die hoch über Cochambamba steht. Ich stieg hinauf und sah die Stadt aus den faustgroßen „Fenstern“ im Figurenbeton.

Ich fand, dass diese Stadt an Farben nur schwer zu überbieten war.

Am Abend saß ich mit einigen noch lange bei Flaschenbier in der Campingplatzgaststätte direkt am Weiher unterhalb der Staumauer, die den Campingplatz auf einer Seite flankierte.

 

Tag 17 (Sonntag), 14.04.2019

Der Fahrtag stand im Zeichen großer Höhen (Pass 4500 Meter). Das Ziel: La Paz, die faktische Hauptstadt Boliviens, auf 3600 Metern gelegen. El Doctor erklärte auf Nachfrage die Eustachi’sche Röhre (Druckausgleich).

Es war Palmsonntag, der Beginn der Karwoche und in den Städten gab es zahlreiche Prozessionen. Die Reiseleiterin ging auf den berühmten bolivianischen katholischen Wallfahrtsort Copacabana am Titicacasee ein. Der Ort Copacabana war schon zu Inkazeiten eine wichtige Kultstätte. Die Reiseleiterin sprach über kirchliche Hochfeste und Wallfahrtsthemen, als wir QUILLACOLLO, die Nachbarstadt Cochambambas durchfuhren. QUILLACOLLO geht bereits auf Pachacútec zurück.

Bolivien hatte bereits im Salpeterkrieg im 19. Jahrhundert große Teile der Atacamawüste und den Zugang zum Pazifik verloren. Nach dem „dummen Krieg“ (guerra estupida) von 1932-1935 musste Bolivien darauf auch große Teile seiner Ostgebiete im Chaco abgeben.

Ich glaube, Atemnot und trockene Lippen hatten wir alle, als wir um Punkt 12 Uhr den auf 4670 Meter gelegenen CUMBRE-Pass erreichten. Wegen einer groß angelegten Straßenbaumaßnahme war die Landschaft rings um unsere Haltestelle eher unschön.

Mittagspause in Caracollo. Dies ist der Ort schlechthin, in dem man landesweit grundsätzlich alle Fernverbindungen blockieren kann. In der Praxis war dieser Umstand angeblich auch bewährt. Der Ort ist etwa 2 Kilometer lang, hat ein Fernfahrerlokal, Häuser gibt es nur entlang der Straße – alle runtergekommen, streunende Hunde, überall Unrat, statt Gehweg nur breite Trümmerflächen. Ich spazierte an der Straße entlang bis zum Ortsschild und trank – es musste der geistigen Verwirrtheit angesichts der Höhe geschuldet gewesen sein – einen Saft aus dem Eimer am krassesten Stand am Ort, direkt neben der Tankstelle. Ein paar vertrocknete Hähnchenflügel dösten auf dem erloschenen Grill. Fotografieren gestattete die Standbetreiberin nicht; ich schenkte ihr dennoch einen Kugelschreiber, den ich aus Deutschland mitgebracht hatte.

Wieder Quinoaanbau gleich nach dem furchtbaren Ort Caracallo. In Fahrtrichtung rechts deutlich zu sehen die Ostkordilleren, zur Linken die Westkordilleren schwach in der Ferne. Also: es ging auf der Panamericana weiter  durch das wasserarme Altiplano in Richtung La Paz.

Bilder, die wir aus Deutschland von Hut tragenden Bolivianerrinnen kennen, sind keineswegs übertrieben. Tatsächlich sah man sie hier mit sowas wie Zylindern, dazu breite Röcke und Wollstrümpfe. Anfragen, sie fotografieren zu dürfen, wurden grundsätzlich negativ beschieden.

Am Nachmittag winkte auf „10 Uhr“ kurz vor der Stadt CATACAMALLA (oder so ähnlich), die wir links liegen ließen, der Sajama, mit etwa 6542 Metern Boliviens höchster Berg, ein Berg der Westkordilleren.

Vor La Paz machten wir eine Pause im Nirgendo – dieses Nirgendwo hieß TULAR (oder so ähnlich). Ich ging wieder nicht zum Truckertreff, sondern lief auch hier die Straße ab. Ein Junge saß am Straßenrand und verkaufte, jedenfalls wollte er dies, Käse aus einem Korb.

Im Vorgriff auf die morgige Peña (Folkloreabend) erzählte Die Reiseleiterin über andine Musik und andine Tänze. Europäische Elemente hätten sich hier offenbar nicht in der Weise wie anderswo durchgesetzt. Sie sprach von der Moll-Lastigkeit, wobei die Grundstimmung oft durchaus heiter wäre. Als typische Instrumente wären die CHARANGO (Saiteninstrument) und die Panflöten zu nennen. Als typischen Tanz nannte Die Reiseleiterin den TINKO, der fälschlicherweise oft mit einem „Kriegstanz“ verglichen würde.

Dann tauchte etwa 20 Kilometer vor der Stadt El Alto auf der rechten Seite die so genannte Königskette auf, die Ostkordilleren mit dem zweithöchsten Berg Boliviens, dem ELIMANI. El Alto ist mittlerweile eine Großstadt mit sage und schreibe kilometerlangen Marktflächen für alles Mögliche an der Panamericana. Zwischen El Alto und La Paz verkehren Seilbahnen im Rahmen des Öffentlichen Personennahverkehrs. P. parkte unseren Bus hoch über La Paz an der Straße in Flughafennähe, in die Stadt ging es – wie bereits in Sucre – mit Kleinbussen weiter, die sich hier durch permanenten Stau quälten.

 

Tag 18 (Montag), 15.04.2019

Die Zimmer im Hotel waren überheizt. Um 5:30 Uhr stand ich auf, denn am Vorabend entwickelten einige die Idee, frühmorgens mit der Seilbahn hoch hinauf in Richtung El Alto zu fahren, über die Abbruchkante von La Paz hinaus. La Paz liegt in einem Talkessel in wie gesagt stattlicher Höhe. Ich machte es schließlich alleine, denn Compañera X klagte über Kopfschmerzen und bei Compañero Y war ich mir nicht sicher, ob er mitwollte.

Die Gondel erhob sich gespenstisch im tiefen Dunkel der Nacht in den Nebel, der am Berg hing. Sie fuhr lautlos. La Paz schlief noch. Unter mir die Lichter einiger Straßen. Bei der Rückfahrt graute der Morgen.

Die „Funicular“ mit ihren hypermodernen Stationen und Gondeln öffnet wochentags um 6 Uhr und schließt um 23 Uhr. Eine Teilstrecke kostete 3 BOL. Die Umsetzung dieses ÖPNV-Projekts war top!

Am Nachmittag ergab sich die Möglichkeit, das Seilbahnfahren – diesmal in einer kleinen Gruppe – zu wiederholen: über gefühlte 300 Höhenmeter (Stichwort Abbruchkante) um die Stadt herum, wohl nur in „kleiner Runde“, aber bestimmt etwa 10 Kilometer mit 4-maligem Umsteigen. Wir hatten fantastische Ausblicke auf die Stadt, die kesselmäßig an den Bergen klebt.

„Mercado de brujas“: Auch besuchten wir heute ausgiebig den „Hexenmarkt“, den ich mit dem Wort „schrillbunt“ beschreiben möchte. Dort gibt es Kräuter, Decken, Pullis, Silberschmuck, Ponchos und alles Mögliche, was man sich an Nippes vorstellen kann. Es ist eine Zone für Touristen, jedoch ausgesprochen erlebenswert.

La Paz ist eine moderne Stadt, doch die Frauen in – fast wollte ich „Trachten“ sagen, nein, es ist deren Alltagskleidung – gehören unbedingt auch dazu. Man stelle sich vor: ältere, kleine, eher üppige Frauen mit runden Zylinderhut und schwarzen langen Haarzöpfen, indigene Züge, Faltenrock in grellen Farben, bunter Pulli (auch gerne in anderen Farben als der Rock), elegante Schuhe, Tasche oder Tuch über der Schulter bzw. über dem Rücken, manchmal auch mit Poncho.

Aida, Diana und Marisol – so die bezaubernden Namen der Saftbudenfrauen, die in der zentralen Markthalle, die heute eher menschenarm war, konkurrierend ihre Drinks feilboten und über Mangel an Kundschaft zu klagen hatten. Leider hatte in unserem Grüppchen außer mir niemand Lust auf einen dieser herrlichen frisch gepressten Säfte. Um keine der 3 Saftherstellerinnen zu verprellen, beschloss ich, das Mittagessen heute in flüssiger Form zu mir zu nehmen und bestellte bei jeder von den Dreien mit der Maßgabe, einen Wettbewerb ausrufen zu wollen. Dann quirlte und presste jede nach Herzenslust und Geschmack. Es gab nur größere Gemäße. Das Ergebnis: Marisol „el numero 1“, Diana „mas que rica“ und Aida „la absoluta“.

Exkurs: Ich erhielt die Nachricht, dass Notre Dame in Paris in Flammen stand.

Nun zur Beschreibung des offiziellen Tagesprogramms: Omar, ein Bolivianer, der in der DDR Soziologie studiert hatte, war kurz nach dem Frühstück am Hotel und führte uns durch das Herz der Innenstadt: zuerst über den Prado, dann zum Hauptplatz in Richtung Mercado de Brujas. Ich klinkte mich relativ frühzeitig aus, um die offiziellen Gebäude wie die staatliche Universität, den Regierungssitz oder die St. Franziskuskirche noch einmal Revue passieren zu lassen. Omar (der Name stammt aus dem Film „Dr. Schiwago“, wie seine Eltern ihm gesagt hatten) führte aus, dass der Mindestverdienst bei 300 US $ läge. Er berichtete über Ausprägungen des Antiamerikanismus in Hispañoamerica, von der aktuellen goldenen Zeit in Bolivien, und er musste einen Wirrwarr von Fragen beantworten. Vor der Kathedrale posierte eine chilenische Folkloregruppe aus dem Amazonasgebiet.

Sein folgendes Zitat gefiel mir: LA QUINTA PATA DE LA MESA = die 5. Pfote des Tischs – auf Deutsch: das 5. Rad am Wagen.

Selbstverständlich war die Peña, die wir mit ihm am Abend besuchten, eine Veranstaltung für Touris. Mein Geschmack war es auf keinen Fall. Dennoch lobe ich die Flötentöne (Altflöte, Panflöten), besonders auch die Gitarren-, Okkulelen- und Paukenbeiträge, soweit ich das beurteilen kann. Schostakowitschs Walzer Nr. 5 vom Band als Abgesang konnten wir uns darauf nicht erklären. Zur Kompensation noch eine letzte Runde Funicular.

La Paz sollte für mich das Interessanteste dieser Reise werden. Fantastische Eindrücke waren sowohl in hoher Zahl und in großer Intensität da.

 

Tag 19 (Dienstag), 16.04.2019

7:30 Uhr Frühstück, Abfahrt aus La Paz um 8 Uhr, dann umpacken vom gecharterten Linienbus ins Rotel, das in Flughafennähe stand. B. schätzte, dass ob der Verkehrsdichte hier sicherlich jeder Dritte einen Minibus hätte. Um 9 Uhr verließen wir den Vorort El Alto mit Kurs hart nach Westen. Die Reiseleiterin las ein indianisches Märchen über den Sonnengott und den Nebelgott vor. Für diese Jahreszeit waren die vergangenen Tage zu warm gewesen.

Während der gesamten Reise ging die Reiseleiterin immer wieder auf indigene gesellschaftliche Normen – einem roten Faden gleich – ein und zählte auf: „gemeinschaftliches Wirtschaften“, „jeder bringt sich ein“, „andine Strukturen“, „zurück geben“. Im Mittelpunkt stand der Begriff „Pacha Mama“. Besonders interessant fand ich ihre Ausführungen darüber, dass die „Ehe auf Probe“ in indigenen Strukturen früher üblich und gesellschaftlich gewollt war. Außerdem käme, so ihr Beitrag, das Machotum von europäischen Einflüssen, bei den Indios hätte es Machotum nie gegeben.

Entlang unserer Fahrtstrecke wies die Reiseleiterin auf erste Spuren von Chulpas aus der KOLLA-Kultur hin. Die Öffnung der Grabtürme (Chulpas) ist nach Osten ausgerichtet. In Vorbereitung dieser Reise hatte ich mich intensiv mit Sillustani und seinen Grabtürmen beschäftigt, das wir am Ostersonntag erreichen sollten. Heute also die ersten Vorboten.

Bei der Fahrt durchs Altiplano änderte sich die Landschaft von pflanzenarm und spiegelflach in busch- und grasreich und leicht gewellt.

Wir überquerten den Rio DESAQUADERO, einen Abfluss des Titicacasees, der wie alle Flüsse im Altiplano nicht in ein Meer mündet, sondern schlichtweg verdunstet und dabei Salzpfannen bildet.

Der höchste Bergs Boliviens, des SAJAMA (6542 Meter) lag während der Mittagspause vor uns, die Spitze in Wolken gehüllt. Wir füllten wieder den „chilenischen Gemüsezettel“ aus, P. startete den Motor und dann zur chilenischen Grenze, vorbei an einem Naturschutzgebiet auf 4500 Metern in Fahrtrichtung rechts auf die Westkordilleren mit ihren Vulkankegeln zu. Wolkenfelder warfen große Schatten in die Landschaft.

Die Bolivianer hatten das Formular 251 eingeführt und die Chilenen filzten das gesamte Fahrzeug, ohne frisches Gemüse oder frisches Obst zu finden. Daraus wurden 2 Stunden Wartezeit. Direkt nach der Grenze standen wir auf der wartungsintensiven Strecke im Stau, die Tagesschwankungen von bis zu 60 Grad Celsius ausgesetzt ist. Außerdem ist die 15. Region Chiles Erdbebengebiet.

Wir passierten der Lago CHUNGARA und erreichten den LAUCA-Nationalpark. Besonders interessant waren vor Allem die Vincuñas und die Vizcachas, letztere kaninchenähnliche Wesen mit Ringelschwanz. Vizcachas sind extrem gute Kletterer; einige sah ich den glatten Felsen hinauf klettern. Beim Lauca-Nationalpark handelt es sich um ein Bofedal in 4000 Metern.

Ich traf Mallku Troncoso, den Wildhüter. Er sagte mir, dass „Mallku“ „Condor“ bedeutet. Er erzählte, dass hier auch Pumagebiet sei. Dann berichtete Mallku von den eisigen Temperaturen im Juni, von Wildräubern und Tierpopulationen (10-12 Pumas; 22000 Vincuñas). Ich erreichte ihn später über Facebook; während ich diesen Text zu Hause erfasste, schickte er mir Bilder von Füchsen aus seinem Nationalpark.

Es war wieder ein langer Fahrtag. Putre, in 3500 Metern gelegen, erreichten wir gegen 18 Uhr

 

Tag 20 (Mittwoch), 17.04.2019

Wir fuhren vom unscheinbaren Bergort Putre vorbei an SOCORAMA und ZAPAHUIRA, alle mit uralter Agrartradition, auf der Routa de Desierto von 3500 Metern zum Pazifik hinab. Ziel war die Stadt Arica – mit 350 Sonnentagen übrigens. Das bedeutete die Durchquerung mehrerer Klima- bzw. Vegetationszonen und spätestens bei Ankunft wieder viel Sauerstoff in der Atemluft.

Mittlerweile hatten wir uns ein wenig an die großen Höhen gewöhnt, von denen einige aber noch anstanden, doch irgendwie kam Freude auf beim Gedanken, mal wieder tief durchatmen zu können.

Zunächst hatte ich Cocaprodukte (Beuteltee und sogar auch Blätter mit Fermenten) zur Gewöhnung an die Höhe gefrühstückt, doch den Genuss dieses Zeugs frühzeitig wieder eingestellt. Als ich Tage später in dünner Luft krank wurde, therapierte ich mich wieder mit Coca, und es half. Ach übrigens – nein, Coca macht nicht süchtig.

Die Reiseleiterin berichtete über die Expansions- aber auch das Transportsystem der Inka im 15. Jahrhundert, als es Botenläufer, Speicherstädte, Wegesystematiken (heute z.B. Routa 11 von Osten nach Westen) und Knotenschriften gab. Die Inka gehören zum Sprachraum des Quechua.

Mit Erreichen der Wüstenzone traten baumhohe KANDELA-Kakteen auf. Teilweise meinte man, ihre Wuchsstellen hätten den Verlauf der Stromtrasse im Verlauf vorgegeben. Auch in diesem Gebiet gibt es Borax-Vorkommen. Die Chilenen setzten auch hier auf Photovoltaikenergie in einer Landschaft, die sich aufgrund relativ üppiger Regenfälle in jüngster Zeit ausnahmsweise grün präsentierte.

Die steilen Serpentinen hinab ins grüne VILLOTA-Tal führten vorbei an beige-ockeren Bergketten aus Fels und noch mehr Sand, darin überdimensional eingelassen Figuren aus vorinkaischer Zeit (PEDROGLYPHOS). Wieviel Vulkanausbrüche waren wohl notwendig gewesen, um eine solche Landschaft zu bilden? So jedenfalls stellte ich mir Wüste immer vor.

Arica, eine Touristenstadt mit modernem Flair aber aufgrund mehrerer Erdbeben ohne architektonische Geschichte war für uns gewissermaßen eine Rückkehr in die Zivilisation. Die Stadt war palmengesäumt mit blühenden mir fremdartigen Bäumen und zahlreichen kleinen schmucken Plätzen. Am Fischmarkt gabs seit Antofagasta endlich wieder Cevice, wahlweise mit Muscheln oder mit Fisch und natürlich ordentlich Koriander. Es war sommerlich heiß, die dicken Hochlandklamotten konnten im Bus bleiben.

Der Schutzpatron des Autors bei der Arbeit: Beim Warten aufs Einfinden der gesamten Gruppe vor der San-Marcus-Kirche zur Weiterfahrt versuchte ein älterer Mann mir, während ich auf einer Mauer sitzend Tagebuch schrieb, die Tasche zu entwenden. Darin waren von Wert: rd. 50 Dollar und der Fotoapparat (um den es letztendlich nicht besonders schade gewesen wäre, zumal er seit etlichen Tagen schon nicht mehr gespeichert hatte). Ich bemerkte den Dieb, stellte ihn, ließ aber die Situation nicht eskalieren, auch zum Eigenschutz, drückte ihm mir den Worten „Hola Compañero“ die Hand und sah ihn dann beschämt und zerknirscht von dannen ziehen. Er wurde selbstverständlich kein Facebook-Freund.

Dann mit dem Rotelbus hinauf zum Hausberg CERRO MORRO von Arica (ca 130 Höhenmeter), von wo man eine gute Aussicht auf die Bucht hat, in der in einer Seeschlacht einst der Salpeterkrieg zu Gunsten von Chile entschieden wurde. Zahlreiche historische Kanonen zeugen noch heute davon.

Die riesige Christusfigur auf diesem Berg ist neu. Im Hafen lag ein riesiges Containerschiff vor Anker, 2 Lotsenboote dicht daran, das Pazifikwasser leuchtete blassgrün, backbord vom Containerschiff der Fischerei- und Yachthafen. Über der Stadt kreiste ein großer Schwarm Truthahngeier.

Bevor es zum Campingplatz ging, der nicht unmittelbar am Meer lag, ergab sich die Möglichkeit, einen Spaziergang am schier endlosen Strand nördlich von Arica zu machen, der sich menschenleer präsentierte.

Der Campingplatz hatte einen schönen Pool. Wir waren die einzigen Gäste. Die Saison war auch hier zu Ende. Dosenbier gabs aber noch, wie mir die Campingplatzwirtin zur Weitergabe an die Gruppe anvertraute.

Mein abendliches Schwimmen wurde wegen unermüdlicher Tauchgänge mit Brille, die ich phasenweise am Beckenboden nicht mehr fand, zu einem Spektakel, sehr zu Belustigung der Mitreisenden, die in Liegestühlen in Poolnähe Entspannung suchten.

 

Tag 21 (Donnerstag), 18.04.2019

T. verriet mir (zur Frühstückszeit nach dem Frühschwimmen, das ich allein und im Morgengrauen zutiefst genoss,) was „Guten Morgen“ auf Japanisch heißt: „O hei joo“ – das klingt einfach, denn zuweilen sagt man auch im Saarland so.

Die Küstenkordillere läuft nördlich von Arica aus. Im Frühnebel fuhren wir durch die Wüste Nordchiles, die sich in Peru fortsetzte. In Chile heißt der Frühnebel CANCHATCHA, in Peru heißt er GARO.

Beim Warten an der peruanischen Grenze darauf, dass der Drogenspürhund seine Arbeit endlich abschließen möge, empfahl mir ein Zollbediensteter mit Namen Carlos die Musik MARINERA, nachdem ich ihm erzählt hatte, dass ich den Tango liebe. Ach ja, auch etwas Glück gehabt: die Impfpässe wurden überhaupt nicht kontrolliert. Die vorgeschriebene Gelbfieberimpfung hatte ich zwar, aber der Impfpass war zu Hause geblieben; ich führte nur den aktuellen Impfstatus mit, der wahrscheinlich nicht ausgereicht hätte.

Also nun waren wir in Peru in TACNA auf der Panamericana. Zeitumstellung: damit entfernten wir uns noch mehr von Deutschland (Umstellung von 10 Uhr auf 9 Uhr).

Die Reiseleiterin erzählte vom Quellgebiet des Amazonas und dann von Lima, der ciudad de las reyes, 1535 gegründet, wo heute 50 % der Peruaner leben. Peru hat 72 Ethnien und wurde de facto 1825 gegründet.

Heute war auf Halbmast geflaggt: Alan Garcia, der peruanische Präsident bis 2011, hatte gestern den Freitod gewählt, da er sich sonst in Kürze einem Korruptionsprozess hätte stellen müssen. Korruptionsskandale gab es in der jüngeren Geschichte Perus zu Hauf.

In der Flussebene Tacna wuchsen Feldfrüchte und Oliven. Gemäß Vertrag kann Peru den Hafen von Arica mitnutzen. Arica gehörte einst zu Peru, nun zu Chile.

Exkurs: Wechselgrundlagen auf dieser Reise:

1 € = 3,6 SOL = 7,5 BOL = 750 PESOS.

Überraschenderweise gibt es in Tacna eine Moschee, eine absolute Seltenheit in Südamerika.

Erster Eindruck von Peru: Tacna ist recht gepflegt, schön mit Blumenrabatten geschmückt. Die Stadt wirkte freundlich. Die City ist hübsch, hatte aber an Einkaufsmöglichkeiten sehr wenig zu bieten, denn der Mercado – sehr bunt und weitläufig – lag außerhalb.

In Tacna besuchten wir also am Gründonnerstag die Kathedrale, 1954 erbaut, jedoch schon 50 Jahre früher geplant. Diese Kirche besitzt eine „hl. Pforte“ und eine Statue des angeblich ersten heiliggesprochenen Schwarzen, des hl. San Pedro de Pollas.

Dann ging es zum großen Platz mit Palmen und Rosen, dem Triumphbogen und den Statuen der Admirale Francisco BOLOGNESI und Miguel GRAU. Smaragdsittiche zwitscherten im Hintergrund.

Die Reiseleiterin sezierte die peruanische Flagge wie folgt: die Farben rot und weiß sollen an Flamingos erinnern, das Füllhorn steht für die üppigen Bodenschätze, der Baum und das Lama symbolisieren Perus Biodiversität in Flora und Fauna (86 Zonen).

Wir fuhren zum Zentralmarkt und ich äußerte dort in der Saftbar BANIA den Wunsch (Übers.): „Bitte mischen Sie mir einen Fruchsaft nach Ihrem Geschmack“. Frau reichte mir daraufhin einen LUGNA CON LECHE und es war sooooo lecker. Die Chefin und alle Saftseñoritas versorgten mich mit rührenden Abschiedsworten und Visitenkarten. Auch musste ich schwören, auf Facebook zu schreiben. Ich habe sie dort leider aber nicht gefunden, als ich wieder daheim war.

Die Straßenecke, einen Steinwurf von der zentralen Fußgängerbrücke entfernt, wo wir während des Mercadobesuchs parkten, ist offenbar berühmt für Fahrzeugeinbrüche. Die Reiseleiterin bat mich, ein paar Minütchen über unser Rotel zu wachen, während sie mit P. zum Großeinkauf loszog. Gerne – L., S. und ich passten letztendlich auf wie die Schießhunde.

In Peru wird der Treibstoff nicht in Litern, sondern in Gallonen gemessen. Die Gallone kostete aktuell 12,35 SOL. Umgerechnet ließen wir heute 460 Liter in die Tanks laufen.

Wir machten uns wieder auf die Strecke. In der Wüste sahen wir beim MONUMENTO DE LA ALLIANZA, ein peruanisch-bolivianisches Denkmal zur Erinnerung an den Salpeterkrieg, Luftwurzler, ein einmaliges Phänomen. Die Pflanzen sahen aus, als hätten sie jeweils in Gruppen auf kleinen Erdhaufen von der Fläche eines Quadratmeters Platz genommen.

In den Flussoasen leuchteten rot die Chillifelder. Dort gab es auch Weinbau, inmitten der vegetationslosen Wüste kam der Anblick der Reben einem optischen Schock gleich.

Anders als in Deutschland gibt es hier kein Katasteramt. Man konnte aus dem Bus erkennen, wie einige Peruaner hier in einer Höhe zwischen 500 und 1500 Metern ein Stück „Bauerwartungsland“ mit ein paar Bastmatten, Wellblechen oder Steinen markiert hatten, um – in Erwartung einer künstlichen Bewässerung – die ersten am Start zu sein, falls es mal mit der Besiedlung losgehen sollte.

Das Wort Peru stammt von dem Flussnamen VIRU ab, weil Pizarro 1526 nicht richtig hingehört hatte, als er erste Teile Perus annektierte. Dieser Fehler Pizarros wäre meines Erachtens noch relativ unbedenklich gewesen. 1526 jedenfalls zog er sich nach der so genannten „Koloniengründung“ erst mal zurück, weil sein scheiß Gaul zum Beispiel in der Wüste kein Futter fand.

Es war schon erstaunlich: sobald wir uns der Küste näherten, gab es gleich ein wenig Vegetation in der Wüste, ausschließlich bedingt durch den Küstennebel … oder durch Buschpausen von Rotelreisenden. Die Standardformulierung war: „Die Damen nach hinten, die Herren nach vorne“.

Als Datum für den Zusammenbruchs des Inkareiches gilt der 16.11.1532, als Atahualpa in Cajamarca durch Pizarro gefangen genommen wurde. Mir wurde speiübel beim Gedanken an Pizarro und noch mehr an die Taten des verlogenen Dominikanermönchs Valverde, Pizarros Beichtvater, der den Genozid ebenbürtig mitverursacht hatte.

Im Vorgriff auf Erlebnisse Tage später auf dieser Reise: Valverde fiel nicht allzu lange nach der Ermordung Atahualpas Kannibalen in die Hände. Ich verweise auf meine Aufzeichnungen über Cusco.

Wir durchfuhren das Tal des Rio OSMORO und schlagartig verwandelte sich die lebensfeindliche Sandwüste in liebliches Ackerland mit Wein und Oliven.

Kurz vor der Ankunft am Übernachtungsplatz mussten wir umkehren und einen anderen Weg nach MONQUEQUA suchen, weil der Rio OSMORO vor wenigen Tagen die Straße komplett weggerissen hatte.

Die Reiseleiterin veranstaltete vor dem Abendessen in unserem unerwarteten Luxusschuppen wieder eine Literaturlesung, erklärte ein wenig Gabriel GARCIA und trug dann ein Werk von Mario VARGAS LLOSA vor.

 

Tag 22 (Freitag), 19.04.2019

El Doctor meinte, starker schwarzer Tee und Kakao statt Kaffee sowie Diät wären das Richtige gegen Montezumas Rache, die auch mich ein wenig ereilt hatte, und zwar gepaart mit leichter Erkältung. Leider war der gestrige Abend bei Pisco Sour und peruanischem Chardonnay, so schön es auch gewesen sein mag, eher abträglich. Ich warf 2 Lopedium ein. El Doctor riet auch zur Ruhehaltung und meinte, die Virusinfektion, die ich hätte, würde voraussichtlich 2-3 Tage dauern.

Die Firma nach § 17 Handelsgesetzbuch: Das Stromverteilungsteam, S. und ich, begossen gestern Abend unser junges Unternehmen, das, weil wir nur noch wenige Rotelübernachtungen hatten, in Kürze schon wieder aufgelöst wurde. Firmenvorschläge aus den Reihen der Compañeros:

1.) Das Stromerteam

2.) Die Kurzgeschlossenen

3.) Die Durchgebrannten

4.) Die Cabeleros

Wir entschieden uns für abweichend von Allem für „Die Stromer mit Tradición“.

Die Reiseleiterin stellte die peruanische Geschichte im 19. und im 20. Jahrhundert in gebotener Kürze vor. Dann las sie über den  Gerichtsprozess gegen Atahualpa. Die Anschuldigungen gegen den Inkaherrscher waren eine ungeheure Anmaßung. Atahualpa starb am 26.07.1533.

Draußen Wüste, Wüste, Wüste. Im Canyon Tambo leuchteten unerwartet frischgrüne Reisfelder, mitten im Nichts aus Sand und Schutt. Ein paar Kilometer weiter sah man an der Wüstenhängen riesige Säulenkakteen, deren Lebensgrundlage der GARO-Nebel ist, der offenbar bis hierher reicht. Eine Zeitlang begleitete unseren Bus in recht geringer Distanz ein Geier, den E. „Hubert“ nannte.

Ich nahm eine Zinktablette ein. Nach der frühen Mittagspause im „Snack Anita“ in irgendeinem Kaff, wo ich mit Roven und seinem 3-jährigen Sohn Jerel gesessen und Bananen, Brot, Coca-Cola und Cafe zu mir genommen hatte, ging es mir besser. Wie passierten die OCHOMAYO- (so notiert) und CHILLITÄLER. Die Peru-Rail kreuzte unseren Weg auf unserer Fahrt nach Arequipa, die Stadt, die es schon zu Inkazeiten gab, und die wegen des Baumaterials aus weißem Tuffgestein auch die „Ciudad Blanca“ (die weiße Stadt) genannt wird. Arequipa, das „kulturelle Zentrum Perus“, ist umgeben von Terrassenfeldern. In CERRO COLORADO, dort, wo die Arbeiterschicht von Arequipa lebt, ist offenbar permanent Markt. Die Marktstände stehen unmittelbar neben den Bahngleisen. Wenig später erreichten wir unseren Übernachtungsplatz.

Gegen 14 Uhr musste ich mich ausklinken – ich hatte Fieber und Gliederschmerzen und zog mich in meine Kabine zurück. L. schickte mir Fotos von Karfreitagsprozessionen und versorgte mich mit Trinkwasser.

 

Tag 23 (Samstag), 20.04.2019

Nach traumintensiver und durchschwitzter Nacht fühlte ich mich am Morgen ein wenig gestärkt. Das Fieder war weg und gegen die Schmerzen warf ich 2 Ibus ein. Heute wollte ich mich noch schonen und in aller Ruhe „mein Ding“ machen einschließlich Koffer aufräumen. Ich war froh, dass ab morgen Hotels auf uns warteten und heute die Kabinenübernachtungen im Rotel-Bus zu Ende gingen.

Auf dem Übernachtungsplatz traf ich Horacio. Er erzählte, dass er aus Buenos Aires wäre und mit seiner Familie hier Kurzurlaub machte. Für in 11 Monaten verabredeten wir uns auf ein ASADITO in Buenos Aires, wo ich ausgedehnten Tangourlaub machen geplant hatte.

Besuche im Dominikanerinnenkloster und im Museum schenkte ich mir ebenfalls. An diesem Tag hielt ich bis 20 Uhr durch. Vorher aber streifte ich 2 x durch die herrliche weiße Stadt Arequipa mit seinen deutlichen Spuren des Meztizobarocks, kaufte ein paar Textilien und trank mit T. und J. einen Kaffee auf einer Restaurantdachterrasse mit direktem Blick auf den Vulkan MISTI. Beindruckend war auch die Plaza. Besonderes Fotomotiv war ein kleines Mädchen mit einem Lamm auf dem Arm.

 

Tag 24 (Sonntag), 21.04.2019

Die Kabinenzeit war vorüber, die Betten abgezogen und das Rotelsilber aus Plastik zurückgegeben. Man hatte sich arrangiert, wenn die Raumenge schwer wurde.

„Wir wünschen frohe und gesegnete Ostern“ – so die Reiseleiterin einleitend zum heutigen Fahrtag mit 2 Pässen um 4500 Meter.

Sie berichtete über die Organisation leuchtender Pfad, deren Gründer, Abimael Guzmán, in Arequipa das Licht der Welt erblickt hat.

Peru ist das Tourismusland Nr. 1 in Südamerika, und das sieht man. Die Läden sind auf Tourismus getrimmt, das Warenangebot entsprechend. Die Städte sind hergerichtet. Man spricht verstärkt Englisch, und zuweilen gibt es sogar Situationen, da gefeilscht wird.

Bereits nach 1,5 Stunden Fahrtzeit hatten wir bereits größere Höhen erreicht, wo in dem Naturreservat „Laguna Blanca“ wieder Vicuñas lebten, deren Wolle einst nur die edelsten Inkaherrscher tragen durften. Summa summarum sah ich entlang der Strecke etwa 30 Tiere in einer Entfernung von gut 50 Metern, ohne nach ihnen suchen zu müssen. Außerdem werden in diesem Gebiet Alpacas gezüchtet, in diesen „Hochebenen von Peru“, von denen bereits Reinhard Mey in seinem Lied „Dieter Malinek, Ulla und ich“ sang. Wir erreichten das SUMBAY-Tal. Sonnenbrille, Sonnencreme, Fettcreme, Trinkwasser und Wärmeerhalt gewannen wieder merklich an Bedeutung.

Die bachdurchfurchten buschüberzogenen Landschaftswellen, die teilweise viele Kilometer tiefe Einblicke freigaben, boten in ihrer Gleichheit unendliche Motivvariationen in ständigem Wechsel: Lagunen, Vicuñas, immer wieder Teile des Gleiskörpers der einzigen Bahnlinie, Serpentinen, sandige Flächen und schneegekrönte Vulkankegel.

Spätestens mit Erklimmen des CRUCERO ALTO Passes auf 4528 Metern war so ziemlich jedem schwindelig. Ich schob aus therapeutischen Gründen einen Riegel Bundeswehrschokolade ein, denn dieses Höhenniveau blieb erst mal. In Lagunillas (rd 4413 Meter), kurze Zeit später, gabs eine Mittagspause in der Höhensonne. Dort erstand ich ein kleines Alpacafell. E. und ich fachsimpelten über Motorroller und über Gewichtsklassen bei BMW-Motorrädern. Wir erreichten den Rio LAGUNILLAS, einen Fluss der Westkordilleren, der ein Quellfluss des Titicacasees ist.

Die Reiseleiterin berichtete, dass es in Peru Brauch ist, politische Anschauungen in Form von Wandmalereien kund zu tun (neben Fernsehen, Radio usw. heute). So gibt es Parteien, die den Spaten oder die Panflöte oder den Fußball als Logo haben. Diese Logos werden bei der Stimmabgabe bei den (Achtung ->) Pflichtwahlen zu Hilfe genommen. Mit fortschreitender Alphabetisierung nahmen die Logos zwar ab, doch verschwunden sind sie keinesfalls. Seltsamerweise gelang dennoch kein ordentliches Foto der zahlreichen Symbole an der Strecke.

Wir umfuhren JULIACA, eine Stadt, die ein einziger Markt zu sein scheint. Hier hätte ich unzählige Motive gefunden: Grafiken, Schilder, Ovale Fensterfronten ohne Fensterbänke, Rikschas mit und ohne Motor, Verkaufsstände und vieles mehr. Die Hauptstraße durch JULIACA erinnerte qualitativ an einen holprigen Feldweg. Überall standen Rohbauten.

Die Reiseleiterin führte durch das archäologische Terrain oberhalb von Sillustani, wo die Chulpas, die berühmten Grabtürme, inmitten von Opferstätten standen. Sie erklärte die „3 Welten“ aus der KOLLA- bzw. der Inkakultur, die durch die Spanier jäh beendet wurden. Die 3 wichtigsten Normen der indigenen Bevölkerung waren: man darf nicht stehlen, man darf nicht faul sein und man darf nicht lügen. Noch wichtiger aber: „Der erste Teil der Opfergabe gebührt Pacha Mama“. Die Grabtürme aus vorinkaischer Zeit waren aus hartem Gestein (zumeist aus Basalt) gefertigt, mit Werkzeugen, die ebenfalls aus Stein bestanden. Die Steinmetze hatten mit enormer Präzision gearbeitet. Die einzelnen Steine waren meist tonnenschwer und besaßen keinen einzigen rechten Winkel. Zum Ende unserer Besichtigungszeit herrschte Wetterleuchten.

Die Reiseleiterin hat mehrere Patenkinder, die sie im Rahmen unserer Exkursion nach Sillustani besuchte. 2 begleiteten uns dorthin: Juan und Alexandre. Für die beiden gabs erst mal Inkacola. Mit Juan konnte ich einige Worte wechseln, auch als wir nach Besichtigung der archäologischen Anlage seine Familie auf ihrem kleinen Bauernhof besuchten. Juan stellte mich seiner Mutter und seinem Vater vor. Die Familie züchtet Lamas und Alpacas und baut Kartoffeln an. Juans Mutter hatte einen Imbiss vorbereitet (Kartoffeln gekocht, verschiedene Sorten, etwas Käse, ein paar Kräuter) und sie verkaufte Strickwaren. Ich fand ein paar Handschuhe (ohne Finger).

 

Tag 25 (Montag), 22.04.2019

Der Tag auf dem Titicacasee war eine befremdliche Maskerade.

Es ging zunächst auf die gelben Schilfinseln der Urus. Insgesamt 90 von Menschen erschaffene Inseln im 15 Grad kühlem Wasser gibt es. Das Wasser roch kloakig. Die Farben waren bunt, was bunt heißt. Insbesondere die bunten Trachten, die angeblich Alltagskleidung sind (Vorzugsweise gelb und rosa), fanden wenigstens die Uruguayaner, die mit auf dem Boot waren „muy lindo“ (sehr hübsch), wir weniger. Wir dachten an Touristenfallen.

Der Himmel war tiefblau. Das salzige Wasser leuchtete blaugrün. Auf beiden Seiten der breiten Fahrrinne wuchs in einem breiten Ufergürtel dunkelgrünes Schilf. Der Titicacasee hat eine Tiefe von bis zu 275 Metern. Im Bereich der schwimmenden Schilfinseln, künstlich errichtet und mit einer Abschreibungsdauer von 15 Jahren, betrug die Wassertiefe rund 20 Meter. Der See liegt auf 3810 Metern und ist etwa 15 mal so groß wie der Bodensee. Der Titicacasee gehört zu 60 % zu Peru und zu 40 Prozent zu Bolivien. Er hat rd. 20 Zuflüsse und nur einen Abfluss, den so genannten „Pooposee“. „Titicaca“ bedeutet „grauer Puma“.

Uru-Frauen erklärten uns alles Mögliche: über die Verwendungsmöglichkeiten des Schilfs, Speisefische (Hauptfisch: CARACHI), Bautechniken, die Herstellung von Seilen aus ICHU-Gras, Begriffe in der Quechua- und in der Aymarasprache, Halbinseln im See, die giftigen Ochsenfrösche usw. Bei aller Touristenfalle – das Leben der Bewohner der Schilfinseln ist hart. Hauptkrankheiten sind Rheuma und Infektionen aufgrund von Wasserparasiten.

Nach 1-stündiger Bootsfahrt erreichten wir das offene Wasser, das sich nun blau gab. Es war eine weite Fahrt über den See. Wir kamen auf der Insel Taquile an. Darauf mussten wir zu Fuß 190 Höhenmeter überwinden. Damit waren wir bei 4000 Metern. Die ganze Gruppe keuchte erbärmlich; häufige Pausen auf dem steilen Weg aufwärts waren unabdingbar.

3600 Quechua sprechende Menschen leben hier. Estaban, unser Führer erklärte in den vorgegebenen Pausen die Fauna. Die Blätter des CHILCA-Buschs zum Beispiel werden verwendet, um Wolle grün zu färben. Kartoffeln, Quinoa, Mais und Heilkräuter wuchsen auf den vorinkaischen Terrassen. Hier gab es keine Lamas und keine Alpacas, auch keine Hunde. Die Insel ist wunderbar grün. Ich schätzte die Wege steiler als 20 Grad. Angeblich stricken auf dieser Insel die Männer. Bis auf ein paar Kostümierte liefen hier nur Touristen rum. Es war schön aber kommerziell. Vielleicht waren wir 50 Jahre zu spät dran. 11000 Kilometer sind es bis Berlin, wenn man den Wegweisern auf dem großen Platz Glauben schenken darf.

Der englisch-spanisch-sprachige Führer, der für alle Bootsinsassen zuständig war, quasi der Compañero von Estaban, sprach wie ein ungeöltes Maschinengewehr. Estaban wurde nicht fertig, die folkloristischen Mützenfarben der Männer auf Taquile zu erklären. Eine Vorführung zur Herstellung von Naturschampoo während der Mittagspause hoch oben über dem See mit Blick auf das klare und tiefblaue Wasser gab es auch; es war ein lieblicher Anblick. Die Insel scheint frei von Müll.

Dann versagten meine Kräfte, ich schleppte mich zum Boot zurück, kauerte mich während der langen Rückfahrt in meinem Sitz und sehnte die Stunde herbei, da ich mich im Hotel zu Bett begeben konnte, um die Erkältungssymptome wenigstens ein Stück weit zu lindern.

 

Tag 26 (Dienstag), 23.04.2019

Zurück von der Bootsfahrt hatte ich das Bett gehütet von 16 Uhr am Vortag bis um 5 Uhr an diesem Morgen. El Doctor diagnostizierte in seiner charmanten und freundschaftlichen Art einen viralen Infekt und empfahl mir strenge Diät.

Offenbar waren alle „fertig“ – die Reise war bisher sehr anstrengend gewesen. Nun sollten die „Juwelen“ der Reise kommen.

Also Abfahrt heute zeitig um 7 Uhr, damit wir beim Einladen der Koffer in die Schlafkabinen die Plaza Mayor mit ihrer majestätischen Kathedrale im Berufsverkehr von Puno nicht verstopften.

Die Fahrt führte wieder durch JULIACA mit seiner üblen Umgehungsstraße, weidenden Schafen auf Verkehrsinseln, Unrat und Müll, Garküchen auf offener Straße, darbenden Hunden, Tuck-Tucks in weiß-blau, Rickschas, Verkehrschaos, Pfützen, Grafitis auf unfertigen oder verwahrlosten Gebäuden.

Am Stadtrand von Juliaca trafen wir wieder auf den Schienenstrang der Peru-Rail, die Puno mit Cuzco im Stil des Trans-Orient-Expresses miteinander verbindet. Ich kaufte Cocablätter gegen mein Unwohlsein und sie halfen.

Wir erreichten im Altiplano den Rio PUCARA (so der Name in seinem Oberlauf), dem wir bis in sein Quellgebiet in 4300 Metern folgten. Hier betrieben die Menschen Rinder und Schafzucht, offenbar weil alternativ die Lama- und Alpacazucht als unwirtschaftlicher eingestuft wurde, auch wenn sie landschaftsgerechter war.

Pucara ist auch der Name für eine besondere Keramikkultur. Besonders zu erwähnen: Stierskulpturen, die man häufig auf Dachfirsten sah.

„Technisches Päuschen“ (Stichwort Baños) in Pucara um 9 Uhr: in einer Cafeteria trank ich einen Tee, der Fernseher lief. Zuerst waren ein paar Einheimische da, die sich am Morgen schon pikante Kost schmecken ließen. Eine Frau klaubte die Reste eines Hähnchenschenkels, das in Reis gebettet war, abschließend in eine Plastiktüte.

Die Reiseleiterin gab einen Überblick über die Einnahme so genannter Hallozinogene in indigenen Kulturen. Grundsätzlich war es im Schamanismus den Priestern vorbehalten. Meist wurden die Halluzinogene geschnupft, auch bei den Inkas. Halluzinogene verändern das Wachbewusstsein – besonders schnell und zuverlässig. Anwendung: Der Heiler, nicht etwa der Patient, nahm Halluzinogene ein, um im Kontakt mit den übernatürlichen Mächten zu erfahren, woran der Patient leidet.

Der Fluss Pucara wechselte ab dem Mittellauf seinen Namen in SANTA ROSA; somit erreichten wir das auslaufende Altiplano. Bis Cusco waren es nur noch 186 Kilometer.

DESFILE: So nennt man in Peru die sonntäglichen Paraden, die selbst im kleinsten Dorf durchgeführt werden. Honoratioren führen die Desfile an, die Nationalhymne darf nicht fehlen.

„… Somos libres; seámoslo siempre

y antes niegue sus luces el sol

que faltemos al voto solemne

que la patria al eterno elevó. …“

Im Vorbeifahren sahen wir die grünen schroffen Berge. Die Dächer der Häuser waren grundsätzlich aus Wellblech. Vereinzelt sah man noch Stroheindeckungen.

Pass La Raya (4335 Meter): wir hatten die Wasserscheide erreicht, die die Wasser des Titicacasees von denen des Amazonas trennt. Somit fließt der Urumbambafluss unterhalb von Machu Picchu in den Atlantik. Auf dem Pass kaufte ich mir eine Weste aus Alpacawolle: Eine ältere Peruanerin ließ nicht locker und hatte mich als Kunden auserkoren. Die Weste ist sehr schön und war preislich mehr als „chevere“ (okay). Nun hatte ich, da ich am Vorabend nicht mehr in die Stadt gekommen war, nicht mehr genug SOLes. Doch El Doctor gab mit Kredit – das ließ mich hoffen, dass mein Gesundheitszustand nicht so kritisch war, dass ich meine Schulden bei ihm nicht hätte zurückzahlen können.

1927 setzte Thornton Wilders in seinem Roman „Die Brücke über den San Luis Rey“ den inkaischen Hängebrücken ein Denkmal. Wir hielten an einer originalgetreuen Nachbildung einer solchen Brücke. Ich hatte mir diese Brücken weit größer vorgestellt.

In den Ortschaften sah man noch die hellblauen  Plumsklos, die der halbjapanische Expräsident Alberto Fujimori zur Förderung der Landbevölkerung aufstellen ließ. Um dieses zeitgenössische Motiv im Bild festzuhalten, versuchte ich es mit dem Handy aus dem Busfenster. Leider löste das Gerät sehr zeitversetzt aus. Ergebnis: ich hatte nicht nur 2 Klohäuschen, sondern auch ein Polizeiauto aufgenommen. Darauf gabs einen Anschiss, denn das Fotografieren von Polizeiautos scheint hier verboten zu sein. E.bot an, eine Dropbox mit den Bildern der Reise einzurichten.

Raktschi – so die Bezeichnung einer neuen archäologischen Anlage, die an uns vorbeizog. Die Besonderheit hier: die Inkas verwendeten Säulen, die man ansonsten nicht kennt. Es handelt sich bei Raktschi um eine ehemalige Speicherstadt mit rechteckigem Grundriss. Wir waren zu diesem Zeitpunkt noch etwa 100 Kilometer von Cusco entfernt. Das Tal schien sehr fruchtbar zu sein: wir sahen Feldbau, und es grasten Rinder auf grünen Flächen.

Mittagspause in URCOS: auf dem Mercado erstand ich eine Handvoll Chillis für „Bestellungen daheim“. Der Brunnen an der Plaza Major ist den Revolutionären des 18. Jahrhunderts gewidmet.

Die Reiseleiterin gab einen kurzen Überblick über die HUARI-Kultur, die insbesondere im Urumbambatal vorkommt. In PILLACTA (oder so ähnlich) zum Beispiel gibt es ein bedeutendes Aquädukt.

OROPESA: Die Spezialität dieses Ortes sind dünne Brote im Durchmesser von etwa 30 Zentimetern. Damit nehmen die Peruaner heute noch Bezug auf die historische Goldgier der Spanier.

Mit Ankunft in Cusco waren die Fahrten im Rotel zuende.

 

Tag 27 (Mittwoch), 24.04.2019

Cusco ist ein einziges Freilichtmuseum.

Die Stadt liegt auf 3400 Meter. Heute war es bereits recht frisch. Von Mai bis Juli liegen die Temperaturen unter dem Gefrierpunkt. Heizungen sind selten.

Maria, eine bildhübsche moderne Peruanerin, die sich selbst als „ehemaliges Quechuamädchen“ bezeichnete, ließ uns auf Inkapfaden schreiten. Früher trug sie laut eigenen Angaben Sandalen aus Autoreifen (aber immerhin aus Gummi von Goodyear) und trug lange Zöpfe. Bis sie 7 Jahre alt war, sprach sie kein Wort Spanisch. Weil sie, als sie zur Schule kam, ständig als „Provinzlerin“  gehänselt wurde, die nur Quechua sprach, änderte sie ihr Auftreten. Als junge Frau ging sie nach Deutschland als Au Pair in Aachen. Hier prallten kulturelle Welten aufeinander, als sie die Meerschweinchen der Au Pair Familie mehr unter Speisegesichtspunkten als unter Streicheltieraspekten sah: nach dem Motto „Mit dem Essen spielt man nicht“ hatte Maria stets das peruanische Gericht „Cuy“ (Meerschweinchen gegrillt oder paniert) vor Augen. Man betrachtete Maria in Folge als eine Art Kannibalin, die wiederum vom Verzehr gegrillter Meerschweinchenaugen und Meerschweinchenbäckchen träumte, knuspriger als deutsche Salzstangen. Sicher ist ihre Vita, so wie von ihr wie oben präsentiert, ein Stück weit überzeichnet. A. meint jedoch rausgehört zu haben, dass sie in Deutschland mindestens ein Tier um die Ecke gebracht hätte. Mir ließ diese Unsicherheit keine Ruhe – ich fragte sie konkret. Ihre Antwort: nein, sie hätte nicht gemordet, nur beinahe. Maria ist von Beruf Rechtsanwältin und führt hin und wieder Touristen in Cusco und Machu Picchu, wie sie außerdem zu verstehen gab.

Cusco lebt im Wesentlichen vom Tourismus. Die Kessellage ist mit der von La Paz vergleichbar. Cusco hat heute 430.000 Einwohner.

Cusco war Nabel der Welt, die Stadt war Hautstadt des inkaischen Riesenreichs. Etwa 16 archäologische Stätten gab es in 2019, von denen wir aus zeitlichen Gründen nur die wichtigsten sehen konnten. Teilweise blieb – so Maria – nur Zeit für so genannte „Japanerpausen“, d.h.: raus aus dem Bus, Foto schießen, rein in den Bus.

Die Erkundung der altehrwürdigen Inkahauptstadt begann in TAMBOMACHAY, dem Wasserheiligtum der Inka, nachdem wir zuvor das Denkmal für TUPAC AMARU II. und den „weißen Christus“ gesehen hatten.

Vom Parkplatz bis zum TAMBOMACHAY wanderten wir zum ersten Mal bewusst auf einer alten Inkastraße, die von CHACHACOMOS (Inkabäumen) gesäumt ist.

TAMBOMACHAY, auf 3765 Metern gelegen, ist eine inka-heilige Brunnenanlage mit Terrassen und Treppen.

Während der Busexkursion verwies Maria auf die Stierplastiken auf Hausdächern, die angeblich auch vor neidischen und bösen Nachbarn schützen sollen.

Auch QENGO ist einer von 324 Inkaorten. Es handelt sich um eine archäologische Anlage, in der zu Inkazeiten Mumifizierungen durchgeführt wurden, nicht von allen Verstorbenen, so doch von wichtigen Persönlichkeiten. Die fertigen Mumien wurden anschließend „nach Hause“ verbracht, wo man sie „pflegte“ und sogar „fütterte“.

Laut Maria ist dieser Brauch in abgewandelter Form auch heute noch üblich. So kann es vorkommen, dass man sich den verwesten Schädel von Papa oder von Opa – gegen eine kleine Aufmerksamkeit an den Friedhofsverwalter – aus dem Grab holt und ihn im Wohnzimmer aufstellt und verehrt, indem man dem Schädel zum Beispiel gelegentlich eine brennende Zigarette zwischen die Zähne steckt, wenn die Person zu Lebzeiten geraucht hat. Das – so Maria – wäre „peruanischer Katholizismus im Hochland“.

SACSAYHUAMAN (= Falkenhorst): Der große Inkaherrscher PATCHAQUTEC, „der Karl der Große Südamerikas“, ließ zur goldenen Zeit im 15. Jahrhundert Cusco in der Gestalt eines Pumas neu erbauen, denn PATCHAQUTI heißt:  „Eine neue Zeit fängt an“.

Maria zeigte PATCHAQUTECs Bauaktivitäten auf einer aktuellen Stadtkarte. Danach lag unser Hotel am Arsch des Pumas, SACSAYHUAMAN hingegen am Pumakopf.

Gegenüber der Pumakrone ließ sich PATCHAQUTEC ein Lager mit allen Annehmlichkeiten errichten, um von dort die Arbeiten zu überwachen, zumal er selbst auch Architekt war. Die Anlage ist überwältigend. Leider hatten wir nur 30 Minuten für einen kurzen Rundgang.

In Cusco gibt es 4 große Kirchen: die Kathedrale und die Jesuitenkirche (jeweils an der Plaza Mayor), „la Mercedes“ und die Franziskanerkirche.

Besuch der Kathedrale: Sie übertrifft an Pracht den Petersdom und die Hagia Sophia gleichzeitig. Es herrschte absolutes Fotografierverbot. Seit meinem Aufenthalt in Bolivien und vor allem in Peru hatte sich meine Einstellung zu sakralen Prachtbauten signifikant verändert.

Für den nach dem Erdbeben im Jahr 1556 neu errichteten Hauptaltar wurde mehr als 1 Tonne Silber verbaut. Die Kanzel, aufwendig geschnitzt, ist aus feinstem Zedernholz.

Im Chorgestühl haben die inkaischen Baumeister zwar die Wünsche der Konquistadoren umgesetzt, aber in alle Bänke ihre „Pacha Mama“ eingebaut – unterarmgroße weibliche Holzskulpturen mit großen Brüsten und dicken Bäuchen, die die Chormitglieder nur zu gerne streichelten.

Einer der Altäre ist beherrscht von der Figur des „Schwarzen Christus“ von Cusco, die täglich neu gewandet präsentiert wird. Die prächtigen Kleidungsstücke stiften alle möglichen Organisationen: Fußballmannschaften, politische Parteien usw. Jedes Jahr am Karmontag wird diese Figur zum Schutz vor Erdbeben durch die Stadt getragen, nur von den schönsten Männern aus allen Teilen des Landes und geordnet nach Gruppen: die schönsten Bankangestellten, die schönsten Polizisten usw. Jedes Mal ein Hochfest für Frauen. Maria sagte, sie hätte dort auch ihren Mann kennen gelernt und wechselte dann eilig das Thema.

Die Kathedrale beinhaltet rd. 300 Gemälde.

Eines der Bilder zeigt die goldene Kette, die die Inkas in Titicacasee versenkt haben sollen, um sie vor den Spaniern zu verbergen, da ihr Wert unermesslich sein dürfte. Diese Kette umspannte einst mehrere Plätze Cuscos.

Dann sahen wir die Galerie der Erzbischöfe Cuscos. Der erste in der Reihe, Alverde, Beichtvater Pizarros,  soll, nachdem er den Inkas gegenüber sehr grausam war, selbst einen gewaltsamen Tod erlitten haben: man sagt, er wäre am Amazonas von Kannibalen aufgefressen worden, allerdings hätte die Suppe nicht geschmeckt.

Das berühmteste Gemälde in der Kathedrale ist sicherlich die Darstellung des letzten Abendmahls. Der indigene Künstler hat gleich zweimal thematisch Rache an seinen Auftraggebern, den Konquistadoren, genommen: zum einen steht auf dem Abendmahlstisch nicht etwa ein gebratenes Lamm, sondern ein gegrilltes Meerschweinchen und zum anderen trägt das braune Gesicht des Judas die Züge Pizarros.

Dominikanerkloster: 1950 legte ein Erdbeben die Inkamauern, auf denen das Kloster aufgebaut war, frei. Die Inkamauern, im Gegensatz zu den Bauwerken der Konquistadoren erdbebensicher gebaut, gehörten zum Heiligtum CORICANCHA, das so prächtig gewesen war, dass es sogar einen Garten mit Skulpturen aus purem Gold hatte.

Nach der Besichtigung des Dominikanerklosters hatten wir „Freizeit“. Ich setzte mich in eine coole Kneipe, um 2 Stunden lang Tagebuch zu führen.

Danach streifte ich ziellos durch die überbunte Stadt Cusco, erlebte, wie jemandem die letzte Ehre erwiesen wurde (man trug den Sarg in großem Trauerzug vom Haus zum Leichenwagen, und eine Blaskapelle spielte dazu), ließ mir die Schuhe putzen und kaufte mir zum Essen einen Choclo (gekochter Maiskolben), mehr ließ mein Magen gerade nicht zu.

Ich beobachtete, dass auch hier die Frauen ihre Kleinstkinder in bunten Tüchern auf dem Rücken tragen und verifizierte Marias Aussage von heute Morgen, dass die Straßen seit den 90er Jahren deshalb so vollgestopft wären, weil man aus Japan sehr viele Gebrauchtfahrzeuge importiert hätte.

Dann traf ich B. auf der Suche nach dem 12-eckigen Mauerstein aus Granit, den wir bald fanden: groß wie eine Betonmischmaschine, an 12 Stellen exakt zurechtgehauen. Anschließend durchkämmten wir das bunte und steile Viertel San Blas mit Häusern, die teilweise noch aus Lehm und natürlich aus Inkamauerwerk errichtet sind. Von San Cristobal sahen wir die erleuchtete Stadt tief unter uns liegen.

Besonderes Beutestück: ich kaufte einen USB-Stick mit peruanischer Folklore.

 

Tag 28 (Donnerstag), 25.04.2019

Um 3 Uhr war die Nacht zu Ende. Ich konnte vor Aufregung sowieso kaum schlafen, denn heute durfte ich den Machu Picchu sehen. Start per Bus um 4:20 Uhr; zuvor gab es sogar ein Frühstücksbuffet im Hotel. Die Reiseleiterin empfahl, Gepäck zu sparen.

Um 6 Uhr passierten wir das Dorf, wo die letzte Schlacht der Spanier gegen die Inkas stattgefunden hatte: OLLANTAYTAMBO. Das Ergebnis: unentschieden. Bis zu unserer Bahnstation war es von hier aus nicht mehr weit.

Maria erzählte die romantische Liebesgeschichte des Inkasoldaten OLYNTYN, der die schöne Tochter des Herrschers geschwängert haben soll. Dieses Epos wird heutzutage regelmäßig in den Tempelruinen von OLLANTAYTAMBO aufgeführt.

Der Besuch des Machu Picchu incl. Transfers war im Reisepreis enthalten. Unten Details „nur fürs Protokoll“ – immerhin bin ich auch Buchhalter.

Eine Bahnfahrt einfach kostete rd. 50 US $. Das Kontrollieren der Fahrkarten kam einem Staatsakt gleich. Abfahrt des Zuges der INKA RAIL ab OLLANTA war um Punkt 6:40 Uhr, Fahrtdauer 100 Minuten für angeblich 43 km, immer entlang des Urumbambaflusses, der irgendwann in den Amazonas mündet. Der Urumbambafluss ist hier etwa 20 Meter breit. An den gewaltigen Berghängen stauten sich die Wolken. Die Landschaft veränderte sich talwärts stetig. Die Stromstellen nahmen zu und färbten den Fluss weiß, nichts mehr für Hobbykanuten. Um 7 Uhr gabs einen Imbiss auf Kosten der Bahngesellschaft. Ich wählte Mate de Coca, dazu gab es Kekse und Schokolade. Gegenüber des Flusses schlang sich der berühmte Inkatrail an den Felsen entlang. Die Flusslandschaft war berauschend. Die Ufer fallen zumeist steil ab, gelegentlich sind sie terrassiert. Zuweilen erblickten wir weidende Pferde. Die Touristenstadt Aquacalientes liegt 1300 Meter tiefer als der Machu Picchu, hat 3000 Einwohner; hier wachsen sogar Bananen.

Der Preis für den Bus zwischen dem Bahnhof in Aquacalientes und dem Machu Picchu betrug einfach 24 US $. Das Ticket für den Machu Picchu kostete 50 US. Die Höchstgeschwindigkeit der Busse wurde per Funk überwacht. Bei 90 km / Std fing es im Bus an zu piepsen. Es durfte maximal 15 Sekunden lang piepsen, bevor eine Strafe fällig geworden wäre.

Gegen 9 Uhr standen wir in der Touristenschlange, die sich zum Aussichtspunkt über den Machu Picchu quälte. Jahrmarkt ist gar nichts dagegen. Erste Panoramafotos im Gedränge, dann gab Maria folgenden Sprachkurs in Quechua betreffend der Aussprache: jedes der beiden Wörter in „Machu Picchu“ ist mit „k“ auszusprechen, wenn man die weltberühmte historische Anlage meint. Ohne die „k“ bedeutet es dagegen „alter Arsch“.

Während der Besichtigung hatten wir keinen Regen, trotz 220 Regentagen pro Jahr hier. Dafür zogen immer wieder Wolkenfelder an uns vorbei. Der Machu Picchu wurde von den Konquistadoren nie betreten. Man kann die Anlage vom Urubambatal aus auch nicht sehen, ein Blick von oben auf den Fluss ist dagegen sehr gut möglich. Bis heute ist unklar, warum die Inkas die Anlage besenrein zurückgelassen hatten. Gründe dafür könnten Malaria oder eine lange Trockenzeit gewesen sein.

Zur Anlage selbst:

Das einzige Tor zu Stadt war durch eine Zugbrücke gesichert.

Die Dächer der Häuser auf Machu Picchu waren an steinernen Pfosten festgebunden.

Die Priester waren gleichzeitig die Richter. Vergehen wurden öffentlich und zeitnah geahndet. Eines Gefängnisses bedurfte es deshalb nicht. Die Strafe für Lügen war das Abschneiden der Zunge.

Inmitten von Touristenströmen führte Maria unsere Gruppe zielorientiert durch die Anlage mit Palastviertel, Sonnentempel, Steinbruch, großem Platz mit 3 Tempeln, heiligem Felsen, Sonnenpfosten, Sonnentor, Wasserspiegel, Straße der Brunnen, Tempel des Kondor. In der Anlage stand ein Korallenbaum; es blühten Orchideen. Einige Touristen machten Yoga.

PUTUKUS:

Der eigentlich wichtige Berg PUTUKUS steht rechts vom Machu Picchu. Er wird vom Urumbambafluss umspült und steht im Zentrum aller anderen Berge. Der PUTUKUS soll der „Nabel des Nabels“ gewesen sein.

 

Maria gab im Verlauf des Tages ein paar ihrer Allgemeinweisheiten und Erfahrungen zum Besten. Ich notierte folgende Punkte:

– Die Besteigung des Huayna Picchu hat sie einmal in 45 Minuten geschafft.

– Das Frühstück muss üppig sein, denn die Arbeit ist hart. Abends wird kaum noch gegessen.

– Auf dem Markt von CHINCHERO kann man heute noch Tauschhandel betreiben, z.B. Saubohnen gegen Mais.

– Anhand der Kostüme im Urubambatal kann „Mann“ erkennen, welche Frau auf Männersuche ist.

– Das Aushängen einer roten Plastiktüte bedeutet, dass CHICHA (Maisbier) verkauft wird, über die Straße gleichsam.

– Tipp: Berge von unten, Kathedrale von außen und Kneipe von innen.

– Urubamba: Eine kleine Verwaltungsstadt. Hier werden Lehrer ausgebildet. Wer nach Cuzco will, nehme des Bus, ein Taxi oder fahre irgendwo im Kofferraum mit – das ist das Billigste.

– Je mehr Menschen bei Stierkämpfen sterben, desto besser das Fest. Hochländer feiern bis zum Äußersten.

– Kurz vor der Rückkehr nach Cusco am Abend kamen wir an der Stadt CHINCERO (auf 3800 Metern gelegen) vorbei. Bereits seit 40 Jahren träumt Chincero offenbar schon davon, einen internationalen Flughafen zu besitzen, denn der Flughafen von Cusco ist zu klein geworden.

– In Chincero ist die Ehe auf Probe salonfähig; der Rechtsrahmen ist entsprechend ausgestaltet.

 

Tag 29 (Freitag), 26.04.2019

Auch heute wieder früh aufgestanden (um 4 Uhr), denn Frühstück gabs ab 5 Uhr, Abfahrt um 6:15 Uhr und Flug von Cusco nach Lima in einem Airbus A 320 der kolumbianischen Fluggesellschaft AVIANCA von 9 bis 10:30 Uhr. B. und K. hatten bereits einen Flieger früher genommen.

Südamerika scheint prädestiniert zum Hutkauf zu sein. Noch vor der Abfahrt zum Flughafen gründeten S., J. und ich die Gruppe der SOMBREROS, denn wir 3  hatten uns im Verlauf der Reise in der Hutbranche eingekauft.

Die Sicht während des Fluges war weitgehend durch Wolken behindert. Doch ein kleiner Blick auf eine Oase in der bergigen Wüste mit dem Pazifik im Hintergrund war doch möglich.

Die Mittagspause nach dem Einchecken im Hotel in Lima fiel kurz aus. B. und ich machten uns auf, einen Snack zu ergattern. Ich gab Zeugen Jehovas gegenüber kund, dass wir 2 Männer hungerten. Jene wollten uns gleich einen peruanischen „Wachturm“ überreichen, bis ich nachbesserte, dass wir mehr an Festkost dachten, eben weniger an geistige Nahrung. Man empfahl uns eine Adresse, wo wir wirklich gute Burger bekamen.

Dann führte die schöne Carmen durch  Lima: Plaza San Martin, Plaza de Armas (heute gesperrt) und zur Kathedrale.

In der Kathedrale liegen die Gebeine Pizarros begraben (Gründer von Lima). El Magros Sohn hatte ihn zur Strecke gebracht. Doch verehrt wird Pizarro hier verständlicherweise nicht.

Carmen sagte, dass es in Lima niemals regnet.

Die Prachtmeile Limas ist von Akazien, Ficusbäumen und Palmen gesäumt, wie es sich für eine Capitale geziemt. Lima ist verglichen mit den Hauptstädten Santiago de Chile und La Paz bzw. Sucre für meinen Geschmack die großstädtischste der Metropolen.

Die meiste Zeit des Nachmittags war dem Goldmuseum gewidmet, weniger dem Besuch dort, als vielmehr dem Transfer hin und zurück durch die autoverstopfte Stadt, über den Fluss RIMA hinweg, an der Stierkampfarena vorbei und über die Autobahn.

Statt das Museum zu besuchen, zog ich es vor, im Museumsgarten Tagebuch zu schreiben und leuchtend gelbe eiskalte Inkakola aus dem Automaten zu trinken. Die Entscheidung war gut – ich meine im Museum nichts verpasst zu haben.

Willi und ich schlenderten am Abend durch unser Hotelviertel zum nächsten Supermarkt und setzten uns auf irgendeine Außentreppe, wie er es, so sagte er, öfter tut, um das großstädtische Treiben zu verfolgen.

 

Tag 30 (Samstag), 27.04.2019

Der Tag in dieser Wüstenstadt begann freiwillig früh, denn ich wollte die Atmosphäre von Lima aufnehmen, von der aus Thor Heyerdahl 1947 per Floß in die Südsee aufgebrochen war. Ich machte mich also allein auf, um die Stadt im Küstennebel zu erleben: vorbei an Buden, an denen die Menschen ein kleines Frühstück zu sich nahmen. Die Straßen waren noch ziemlich leer. Polizei auf Motorrädern und auf Fahrrädern war reichlich präsent.

Beim Frühstück im Hotel wurde mir bewusst, dass ich fast nur Dinge aß, die es auf der Kon Tiki nicht gegeben hatte. Über dem Buffet stand auf einer Tafel (sinnigerweise in Englisch) in großen Kreidebuchstaben geschrieben: „to travel is to live“.

2 Stunden später zeigte Die Reiseleiterin uns den Weg zur Steilküste. Wir schlenderten am Parque de Amor vorbei, wo sich die übergroßen Betonfiguren Sabine und Victor herzerwärmend umschlangen. Ansonsten gab es auch in Lima ziemlich viele gute Grafittis.

Der Pazifikstrand ist kiesbedeckt. Wellenreiter sah man reichlich. Ich schaute mir einen „Trockenkurs“ von der Promenade aus an. Als später die Surfschülerinnen und Surfschüler ihr gerade erworbenes Wissen um zu setzten versuchten und dabei munter von ihren Brettern in die steingraue See purzelten, ging ich in die Innenstadt zurück, sah noch einmal die Straßendevisenwechsler mit ihren Uniform ähnlichen Westen und kaufte mir den jüngsten „Condorito“ (ein berühmter Comic). Meine letzten Soles setzte ich im Supermarkt in Wasser und Kekse um.

Von P. hatten wir uns bereits in Cusco herzlich verabschiedet. Die Reiseleiterin begleitete uns heute zum Flughafen, klärte noch ein paar unserer Fragen am Check-in-Schalter. Dann sagten wir auch ihr herzlich „gracias“ y hasta pronto“ und das Warten auf unseren 12,5 stündigen Flug nach Amsterdam konnte beginnen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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